Hallo Fritz, hallo Reinhold, hallo Fans,
ein paar Aufgeklärte unter euch wissen, dass ich 1978 mit Monika die Grünen mitgegründet habe (Mitglied Nr. 253). Was ihr aber nicht wisst ist, dass solche 68er- Typen wie wir beide daran Schuld sind, dass es in der katholischen Kirche zu massenhaftem Missbrauch an Kindern gekommen ist. Das ist jedenfalls die Erklärung dafür von Georg Ratzinger, Priester und Bruder des Ex-Popen Benedikt XVI. Was soll der Quatsch? Die Schlagzeile „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ habe ich jedenfalls nie in der TAZ gelesen.
Das ist euch doch wohl klar, dass Ratzingers Vorgänger mich früher auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätten. Ja, manchen von euch wäre es vielleicht recht gewesen, dann hätten die ganzen Bartleby-Newsletter ein Ende. Giordano Bruno (Wikipedia hilft!) hatte damals nicht so viel Glück. Er starb 1600 in Rom auf dem Scheiterhaufen. Hatte er etwa kleine Kinder missbraucht? Gott bewahre, dafür würde die Kirche doch keinen Priester verbrennen. Was dann? Er hatte die Unendlichkeit des Weltraums gelehrt und die ewige Dauer des Universums. Da blieb natürlich kein Raum für Jenseits, Schöpfung und Jüngstes Gericht. Elke hat für mich bei ihrem Rom-Besuch eine Rose an seinem Denkmal niedergelegt. Danke dafür.
Es wird euch nicht wundern, dass ich seit einigen Jahren Mitglied der Giordano- Bruno-Stiftung bin („Heidenspaß statt Höllenqual“). Was wir fordern: Klare Säkularisierung wie in Frankreich, weg mit der Kirchensteuer und der Bezahlung der Bischöfe aus den Steuern aller Bürger, egal, ob sie gläubig sind oder nicht. Keine Angst, Weihnachten dürft ihr immer noch in eure Kirche gehen. Wir lassen sie stehen als Mahnmal an eine dunkle Zeit vor Kant, Nietzsche und Schopenhauer.
Ihr schüttelt den Kopf. Was ist denn mit dem los? Sollte er sich nicht lieber, statt sich auf die Kirche, endlich einmal auf seine Wohnung konzentrieren. Zum Beispiel Staub saugen, sich um Küche, Bad und Wäsche kümmern und Fenster putzen. Aber Bartleby sagt: Ich möchte lieber nicht. Er muss ja nicht vom Fußboden essen und beim Blick aus dem Fenster reicht es ihm, dass er erkennt, ob es Sommer oder Winter ist. Ihr seid da natürlich ganz anders. Ein guter Psychologe könnte euch erklären, warum ihr so tickt. Aber das wollt ihr besser nicht wissen.
Die „Reichsbürger“ sind ja jetzt schwer im Kommen. Ich kenne sie schon seit meinen Allianz-Zeiten. In den 90ern beschwerte sich der Berlin-Bevollmächtigste des Reiches bei uns und verlangte, die Leistung einer Lebensversicherung so zu berechnen, als ob das Reich noch fortbestünde, obskure Dokumente beigefügt. Mein Chef übergab mir das Schreiben mit den Worten „Kubitz, das ist doch wieder mal ein Fall für Sie“. Wie kam er nur darauf? Ich habe dem Reichsbürger-Führer geantwortet, wie es so meine Art ist. Eine Mischung aus Karl Kraus und Jan Böhmermann. Wir haben nie wieder etwas von ihm gehört.
Welche Verschwörungstheorien kennt ihr denn so außer Lügenpresse, Chemtrails und Impfpflicht? Diese vielleicht: Die Welt wird von einer kleinen Gruppe alter weißer Männer regiert. Aber Leute, das ist doch keine Verschwörungstheorie, genau so ist es.
A propos Impfpflicht. Am liebsten befreunde ich mich mit Impfgegnern – da hat man soziale Kontakte, ist aber nicht allzu lange an sie gebunden.
Berlin ist nicht nur die Hauptstadt der Versager, sondern auch die Hauptstadt der Ornithologen. Wusstet ihr, dass in Berlin mehr Nachtigallen leben als in ganz England, nämlich 3000? Wie kommt das? Die Forscher sagen, Nachtigallen verhalten sich wie Touristen. Sie gehen dahin, wo der „place to be“ ist und das ist eben nun mal Berlin. Die Touristen wollen alle ins Berghain, die Nachtigallen alle in die Berliner Parks. Da machen sie dann genau das, was Touris im Drogen-Tempel auch machen. Muss ich das noch weiter ausführen?
Ich lebe am Rande des Tiergartens und höre ihnen jeden Tag, jede Nacht zu. Endlich was Anderes als das, was das Spatzen-Prekariat tagsüber so von sich gibt. Sie sollen sogar, so die Forscher, über verschiedene Berliner Dialekte verfügen. Je nach Bezirk trällern die Nachtigallen unterschiedliche Melodien. In Kreuzberg mehr Techno, in Neukölln mehr Battle-Rap. Bei mir in Moabit wohl eher Helene Fischer.
Weil ihr ja schon förmlich darauf wartet, zum Schluss noch etwas Berliner Lokalkolorit. Mark Twain, die Älteren erinnern sich, lebte mal eine Zeitlang in Berlin. Sein Fazit: „Ich glaube nicht, dass es irgendetwas auf der ganzen Welt gibt, was man in Berlin nicht lernen könnte – außer der deutschen Sprache!“ Mein running gag in meinen Schriftverkehr-Seminaren.
Wir hatten ja mal in Berlin einen Kaiser. Jetzt ist er weg. Seine hiesigen Verehrerinnen haben sich als Ersatz das englische Königshaus ausgesucht. Anlässlich der Geburt von Baby Sussex schlagen die Wellen hoch:
„Archie Harrison! Da ist doch der Lebensweg schon vorgezeichnet. Der schwängert mit 16 eine Schantalle und bricht die Schule ab. Nee, ich glaube das noch nicht.
Das darf die Elisabeth nicht zulassen. Am Ende wird noch ein Fußballer Taufpate, oder was?“ Das schreibt eine besorgte Berliner Twitterin – im Alter von 82 Jahren! Wenn ihr jung bleiben wollt, kommt in diese Stadt.
Der Rausschmeißer: Neulich bei der Mai-Demo in Kreuzberg. Ein Autonomer pinkelt an eine Eingangstür. Laute Stimme vom Balkon: „Ey, Alter, kannste auch bellen?“
Alles Gute, Jungs und Mädels.
Ich grüße Jürgen Klopp und Kevin Kühnert.
Ulrich