Hallo Fritz, hallo Reinhold, hallo followers,

Bartleby hat noch die Stimme von Herbert Zimmermann im Ohr: „Aus dem Hintergrund kommt Rahn. Rahn müsste schießen. Rahn schießt. TOOOR! 3:2 für Deutschland!“ Das war 1954 in Bern. Seitdem hat er nicht mehr so gespannt vor dem Radio gesessen wie diesmal bei der Relegation zur Bundesliga. Eisern Union! Das habt ihr doch hoffentlich mitgekriegt, wie unsere tapferen Ossis aus Köpenick den VfB Prenzlauer Berg in die 2. Liga geschickt haben. Jetzt hat Berlin als einzige Stadt zwei Vereine in der 1. Bundesliga. Fußball- Hauptstadt Berlin. Uli Hoeneß muss jetzt zweimal nach Berlin reisen: Höchststrafe!

Vor der Europawahl hatten sich die selbsternannten Volksparteien vor meinem Supermarkt aufgebaut. Sie belagerten mich mit Kugelschreibern und Flyern und wollten, dass ich mein Kreuz bei ihnen mache. Aber Bartleby sagte wie immer „Ich möchte lieber nicht“ und wählte dieses Mal „Die Partei“. Natürlich halten ihn die meisten Leser dieses Newsletters deswegen für einen Verrückten. Aber der verrückte Bartleby war in dieser verrückten Stadt damit nicht der Einzige. Nur mal so das Ergebnis aus dem Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg: „Die Partei“ 8,9 %, CDU und FDP zusammen 8,3 %. Noch Fragen?

Meine Grünen haben mächtig abgeräumt. Größte Zustimmung bei den unter 60jährigen. CDU und SPD verschanzen sich in den Altersheimen, denn immer noch gibt es mehr Wähler über 70 als unter 30. Jetzt noch das Wahlalter auf 16 Jahre senken und durch das Land würde endlich frische Luft wehen, als hätte man alle Fenster gleichzeitig geöffnet. Bartleby, der Träumer.

Jetzt wird’s grün. Wenn es mit mir demnächst vorbei ist, will ich eine Feuerbestattung. Den Platz für die Urne habe ich schon lange gepachtet. Jetzt höre ich, dass dann aber mein ökologischer Fußabdruck ein ganz schlimmer ist. Das Krematorium erzeugt mit meiner Verbrennung einen CO2-Ausstoß, der einem Flug von mir von Berlin nach Köln entspricht. Leute, was soll ich denn dann noch in Köln?

Thema Insektensterben. Die armen Tierchen. Könnt ihr euch noch erinnern, dass wir früher so klebrige Rollen in der Küche aufgehängt haben? Die Fliegen blieben natürlich daran hängen, zappelten eine ganze Weile um ihr Leben und manche von ihnen fielen dann tot und klebrig in das Essen auf dem Tisch. Macht heute keiner mehr. Wir haben ja jetzt Sprays. Ich will der Evolution ja nicht vorgreifen, aber ich habe das Gefühl, dass es eine Zeit geben wird, in der uns die Fliegen mit Sprays umschwirren werden. Darwin, was meinst du?

Tassilo hat vor kurzem stilvoll seinen 50. Geburtstag gefeiert. Das Gleiche macht jetzt das „Grips-Theater“ mit Volker Ludwig bei mir um die Ecke. Ich habe damals mit dem Jungen jedes Stück besucht. Und im Kinderzimmer lief der Hit „Dumm wird man nicht geboren, dumm wird man gemacht!“ rauf und runter. Natürlich auf Kassette. Weiß noch jemand, was das war?

Die Berliner CDU war damals undercover im Theater und forderte, die finanzielle Unterstützung für diese Revoluzzer sofort einzustellen. Außerdem sollten Schulklassen keine Vorstellungen mehr besuchen dürfen. Aber sie hatten die Rechnung ohne die 68er gemacht. Noch heute schleppe ich jeden Berlin-Besucher in „Linie 1“ oder „Eine linke Geschichte“, wenn es der Spielplan möglich macht.

Groteskes von der Schwabenfront I: Im Mauerpark gibt es seit vielen Jahren eine bei Touristen sehr beliebte Karaoke-Bühne. Jetzt droht das Aus! Es sei denn, der Schall würde in Zukunft nur nach Osten (!) dringen. Im Westen des Parks sind nämlich Neubauten entstanden und die Mieter dort fühlen sich beim Betrachten ihrer Katzenvideos empfindlich gestört.

Groteskes von der Schwabenfront II: Holzmarkt an der Eastside-Gallery. Schon lange ein attraktives alternatives Kultur-Zentrum an der Spree. Jetzt plötzlich: Kein Bier mehr nach 21 Uhr. Und warum? Als Berlin-Kenner ahnt ihr es. Richtig! Auf der anderen Seite der Spree sind Neubauten entstanden. Die Leute wollen doch einfach nur ihre Ruhe haben. Auf der Alb sind sie um diese Zeit eben noch mal in den Stall gegangen und haben mit Schafen und Ziegen gekuschelt. Wann werden sie auf dem Kudamm die Kehrwoche einführen?

Dazu ein Kommentar von Lars Eidinger, Schauspieler („Hamlet“, „Richard III“) und Hobby-DJ: „Erst, wenn die letzte Party geräumt und der letzte Club geschlossen ist, werdet ihr merken, dass Berlin zu dem Kaff geworden ist, aus dem ihr gekommen seid.“ Sein Act bei einer Feier in der Münzstraße in Mitte wurde von der Polizei wegen Ruhestörung abgebrochen. Es kommentiert ein wütender Bartleby: „Berlin wird langsam so wie Eschwege, nur mit mehr Hundehaufen.“

Jetzt wird’s haarig. Bei meiner Recherche zu Tassilos 50. Geburtstag stieß ich auf Fotos, die ihn als kleinen Jungen mit voller Lockenpracht zeigen. Auf dem Spielplatz erregten sich immer wieder um ihren Nachwuchs besorgte Mütter über das vermeintliche Mädchen: „Na du Kleine, wo ist denn deine Mutti?“ Das hatte dann schnell ein Ende, als der arme Kerl das erste Mal ein paar Tage bei seiner Oma in Eschwege verbrachte. Sie hat ihn sofort zum Friseur geschleppt und ehe er sichs versah, waren die Locken runter und er sah aus wie der junge Philipp Amthor, nur ohne Brille. Oma war selig, aber das war sein erster und letzter Besuch bei ihr.

Mir ging es in seinem Alter ähnlich. Nachkriegszeit in Berchtesgaden. Die Wohnung meiner Eltern war gleichzeitig Anwaltskanzlei. Die Küche war auch Wartezimmer für die Mandanten und der Küchentisch der Platz für meine Hausaufgaben. Um mich herum die halbe Entourage, die Hermann Göring aus Berlin mitgebracht hatte, vom Förster über den Kammerdiener bis zu seinem Friseur. Der packte dann ab und zu sein Köfferchen aus, griff zu Kamm und Schere und schnitt mir in der Küche die Haare. Danach sah ich immer aus wie ein Pimpf der Hitlerjugend. Mutti war selig, Fortsetzung siehe oben.

Ihr hattet noch nichts zum Lachen? Keine Angst, kommt jetzt. Habe ich aber bei einem Kabarettisten geklaut: „Stellt euch unsere Erde vor ohne den Menschen. Aber dann gäbe es doch keinen Naturschutz.“ Findet ihr nicht lustig? Das wäre ein guter Anfang.

So, zum Schluss noch ein Glas vom leichten Roten aus Baden-Württemberg. Es kommentiert Kurt Tucholsky: „Schade, dass man Wein nicht streicheln kann“. Aber dafür gibt es ja Katzen wie Pouline.

Bartleby wünscht frohe Pfingsten. Wisst ihr eigentlich alle, was ihr da feiert? Googeln gilt
nicht.

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