Hallo ihr da draußen.

Breaking News: Bartleby will gleich in seinen Lieblings-Biergarten am Kleinen Tiergarten. Vorher schnell noch die Mails checken. Da ein Tweet der Berliner Polizei! Eben ist ein Mann erschossen worden. Im Kleinen Tiergarten. Ach, deswegen kreist der Hubschrauber über unsere Häuser. Bartleby macht sich trotzdem auf den Weg. Absperrbänder im Park, die Leiche unter einer Plane, aber von Jan Josef Liefers und Axel Prahl keine Spur. Wenn man sie hier mal braucht, sind sie in Münster. Jetzt aber in aller Ruhe im Biergarten ein schönes Helles mit Brezel und dann an der Spree entlang wieder nach Hause. Noch einmal am Tatort vorbei muss nicht sein. So etwas Besonderes war das auch wieder nicht. Wir sind schließlich in Berlin.

Habt ihr gesehen, wie Hertha gegen Bayern auf der Siegesstraße war bis, ja bis wieder das Übliche geschah: Elfmeter für den FC Hollywood. Newsletter-Gastautor und RBB-Moderator Jörg Thadeusz auf die Frage, welche Verschwörungstheorie er für wahr halte: „Dass alle Schiedsrichter für Bayern pfeifen:“ Guter Mann.

Vor ein paar Tagen hat Bartleby die „Berlinische Galerie“ besucht, Ihn interessierten die Gemälde von Lotte Laserstein und er schämte sich, bisher noch nie etwas von ihr gehört zu haben. Aber zuerst das typische Bartleby-Drama vor dem Eingang. Er soll an der Garderobe seinen winzigen Rucksack abgeben. Die Größe wie bei Konzerten erprobt DIN A4. Die Garderobentante kennt trotzdem keine Gnade. Willkommener Anlass für Bartleby, sein gesamtes Programm gegen sinnlose Vorschriften und ihre Verteidiger abzuspulen. Von „deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun“ bis „mit dieser Einstellung hätten Sie auch in einem KZ arbeiten können“ war alles dabei. Bartleby wieder einmal im Rausch.

Inzwischen hatte sich schon eine kleine Gruppe um uns gebildet, hörte interessiert zu und brachte ihre Smartphones in Stellung. „Crazy folks, these germans!“ Für sie hatte sich der Besuch der Ausstellung offensichtlich jetzt schon gelohnt. Bartleby möchte die Besucher nicht länger warten lassen. Er kramt in seinem Mini-Rucksack und holt Handy, Lesebrille und Taschentücher hervor, weiß aber nicht, wohin damit. „Soll ich Ihnen eine Tüte geben?“ säuselt die Tante. Bartleby unterdrückt mit letzter Kraft seine Mordgedanken: „Soll das ein Witz sein? Was kostet das jetzt?“ Die Tante: „Nur ein Lächeln.“ Bartleby stutzt, begreift, bleibt aber unerbittlich: „VON MIR NICHT!“ Wenn er unmöglich ist, fühlt er sich richtig gut. Du hast ja sonst wenig im Alter.

Übrigens war Lotte Laserstein sehr streng mit ihren Modellen. Sie legte größten Wert auf absolute Unbeweglichkeit. Für ein Bild mit Katze hat sie das arme Tier mit Weinbrand betäubt. Aber so hätte sich Bartleby auch gerne von ihr malen lassen.

Im geräumten Mietshaus nebenan dröhnen schon seit Monaten die Pressluftbohrer. Es ist die Hölle! Das Haus wird entkernt bis auf die Außenmauern. Dann gibt es bodentiefe Fenster für die Hipster und Dachterrassen wie gegenüber. Ich bin hier im alten West-Berlin mal hingezogen, um in Ruhe leben und in Frieden sterben zu können. Bartleby hat ja mit allem gerechnet, dass er mal ein großer Schriftsteller und Hertha mal Meister wird, aber nicht, dass die Gentrifizierung auch seine verschlafene Straße zerstört. 

Er hätte es besser wissen müssen. Als alter Hobby-Ornithologe hatte er schon seit langem die dramatische Gentrifizierung bei seinen gefiederten Nachbarn beobachtet. So ähnlich muss es gewesen sein, als im Mittelalter die Mongolen und Hunnen kamen. Plötzlich war die Gegend voller Krähen. Die gab es bis dahin nur in Sibirien. Drehte Hitchcock vielleicht Teil 2 seiner „Vögel“? Die ersten Opfer dieser rabiaten Biester wurden die netten Möwen an der Spree, die alle so aussahen, als ob sie Emma hießen (Christian Morgenstern). Die Emmas retteten sich an Wannsee und Müggelsee. 

Als nächstes waren die hübschen Elstern dran. Ich erinnere mich noch an eine ganz Junge, die fast den ganzen Weg bis zu EDEKA neben mir herlief und mir die silbrige Schnalle von meinem Schuh klauen wollte. Welche Krähe macht sowas? Unvergessen: Vor ein paar Jahren konnte ich einen eindrucksvollen Häuserkampf zwischen Elstern und Krähen beobachten, genau auf der herrlichen Rotbuche, die jetzt wohl wegen der neuen Eigentumswohnungen gefällt wird. Die Elstern hatten wie jedes Jahr dort ihr Nest gebaut. Dann kamen die Krähen und haben es wie ein Immobilienhai einfach besetzt. Ich stehe in der Küche und traue meinen Augen nicht. Die Elstern warten, bis die Krähen auf Futtersuche gehen und zerstören in Windeseile ihr eigenes besetztes Nest. Ast um Ast segelt in den Hof. Als die Krähen wiederkamen, fanden sie tabula rasa vor und ließen sich nicht mehr blicken. Aufgepasst Kreuzberg, nimm dir ein Beispiel daran. Wenn ich aber heute eine Elster sehen will, muss ich in den Zoo gehen.

Die letzten Opfer der Krähen waren die Tauben. Die haben kurz überlegt, ob sie sich an den Markusplatz in Venedig zurückziehen sollten, haben sich dann aber für den Alexanderplatz entschieden. Der ist städtebaulich so hässlich, dass er sogar von den Krähen gemieden wird. Gute Entscheidung. Was bei der großen Vertreibung übrig geblieben ist, ist das Spatzenprekariat. Die Krähen blicken nur hochnäsig darauf runter. Wenn sie sich dabei nicht mal täuschen. Wenn die Gentrifizierung am Ende auch das Prekariat erreicht, kann es interessant werden in der Stadt. Nicht nur in Büschen und Bäumen.

Sommer in Berlin heißt vor allem Baustellen, Hütchenspieler und brennende Autos. Die Opas der heutigen Pyromanen hatten es noch auf die Autos von verhassten Politikern und staatserhaltenden Firmen abgesehen. Da hatte sich Bartleby noch sicher gefühlt. Er klebte seinen Rentenbescheid ans Fenster seines Cabrios und hoffte auf so etwas wie Ganovenehre. Das hat sich gründlich geändert. Heute lebt hier jedes Auto gefährlich, das nicht bis drei in die Garage kommt. Zweimal schon konnte ich in den vergangenen Jahren nachts von meinem Balkon zuschauen, wie Autos in meiner Straße in Flammen aufgingen. Eins davon fuhr mein russischer Nachbar. Am nächsten Tag wollte ich ihm mein Mitgefühl ausdrücken. Er lächelte nur: „Null Problem, ick mach doch Leasing.“ Clevere Kerlchen, diese Russen. 

Aber dank der CDU wird das Abfackeln jetzt sicher ein Ende haben. Die Partei zahlt jedem, der einen Hinweis zur Aufklärung gibt, 1.000 Euro auf die Hand. Offensichtlich haben sich die Abgeordneten auf ihrer Klausur ein paar alte Italo-Western von Sergio Leone angesehen und sich wieder für Kopfgeld begeistert. Also Leute, wenn ihr mal Geld braucht, nachts die Augen auf und Ennio Morricone auf den Kopfhörern. Dann seid ihr bald aus dem Gröbsten raus. Den Zündler von damals hat man bald danach erwischt. Wohnt eine Querstraße weiter immer noch bei seiner Mutti und hatte Pech im Job. Man hats eben nicht leicht als Muttersöhnchen.

Bartleby war in seiner Marburger Studentenzeit auf dem Weg, zu einem der größten Pyromanen seit Nero zu werden. Vielleicht reicht eure Küchenpsychologie aus, das zu erklären. Mehrmals hat er versucht, die historische Altstadt in Schutt und Asche zu legen. Gott sei Dank erwies er sich auch hierbei als der geborene Dilettant. Aber einmal hatte dieses Treiben doch Folgen. Die Staatsanwaltschaft Marburg beschuldigte ihn, in tiefster Nacht in der Altstadt „ungebührlicherweise ruhestörenden Lärm erregt und groben Unfug verübt zu haben, in dem er gemeinsam mit anderen einen für die Entrümpelung bereitgestellten Ofen auf die Fahrbahn zog und darin Papier verbrannte. Durch den hierbei entstandenen Lärm und die Rauchentwicklung wurden Anlieger gestört und belästigt.“ Geldstrafe von 40,00 DM, ersatzweise 4 Tage Haft. Bartleby natürlich wie immer klamm, aber der Dispo bewahrte ihn gerade noch vor dem Karzer. 

Vor kurzem fiel mir wieder ein Buch von Harry Rowohlt in die Hände. Die meisten von euch werden den Rauschebart wohl nur als alten Penner aus der Lindenstraße kennen. Er war ein begnadeter Übersetzer, Spötter und vor allem ein großer Freund der Iren und ihrer Trinkgewohnheiten. Beispiel: In einer irischen Zeitschrift hat er ein Cartoon gesehen, in dem ein Mann mit einem angeleinten Wellensittich gerade das Haus verlassen will, und seine Frau raunzt ihn an: „Dir ist auch jede Ausrede recht, um in die Kneipe zu gehen.“

Ich durfte ihn 2006 erleben im FritzClub im Postbahnhof. Auf seinem kleinen Lesepult wie immer eine Flasche Whiskey und Bier zum Verdünnen und all die Hölzchen und Stöckchen, auf die er an diesem Abend kommen wollte. Er überzog gnadenlos. Keiner geht. Ich hätte ihm noch zuhören können, bis die erste S-Bahn wieder fährt. Verdammt nochmal, Harry, du fehlst!

Eine Geschichte ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Er sitzt im Taxi in Hamburg. Der Fahrer ist Türke und Harry ist es etwas mulmig, als das Gespräch auf den Islam kommt. Der Türke erklärt ihm seine Sicht: „Mohammed hatte keinen Kühlschrank, vertrug keinen Alkohol und hatte Schiss vor den Weibern. Da hast du den ganzen Islam.“ Guter Mann.

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