Bartleby, das Kriegskind. Geboren 1939 in Berlin. Wegen der Bombenangriffe die ersten fünf Jahre meist bei den Großeltern in Oberschlesien. Trotzdem zweimal ausgebombt. Bei Kriegsende Flucht nach Berchtesgaden. Seinen Vater hat das Kriegskind erst 1948 richtig kennengelernt. Da wurde er von den Amerikanern aus dem Gefängnis in Nürnberg entlassen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bartleby, der Student. Das schöne Marburg mit seiner Alma Mater Philippina war der ideale Ort für ein ausgiebiges studium generale. Bei Hasso-Borussia, wo Vater Bartleby schon aktiv war, gab es ein Zimmer, jeden Samstag Kneipe und immer wieder die Möglichkeit, die braven Einheimischen in Angst und Schrecken zu versetzen. Irgendwann dann die Flucht nach West-Berlin, dem Mekka der Wehrdienstverweigerer.

Bartleby und die Frauen. Ein ganz trübes Kapitel. Die Probleme begannen schon, als er damit aufhören musste, die Mädchen in der Schule an den Zöpfen zu ziehen. In der Tanzstunde wuchsen sich die Beziehungen zu einem wahren Trauma aus. Den ersten Kuss erhielt der arme Junge mit 20 auf einer Abifete, vermutlich aus Mitleid. Kaum zu glauben, aber dank Oswalt Kolle kam dann doch noch etwas mehr dazu.

Bartleby und Literatur. Auf dem Gymnasium wurde er nur mit Goethe, Schiller und anderen Geistesheroen vergangener Jahrhunderte gequält. Als Student wurde er dann Stammkunde in den Marburger Buchhandlungen. Kleist, Heine, Kafka und Hemingway thronen heute als seine Götter neben Beckett, E.M.Cioran und Thomas Bernhard in seiner umfangreichen Bibliothek. Er sitzt schon seit Jahren an einem Buch über seinen Vater. Aber Robert Musil brauchte für seinen „Mann ohne Eigenschaften“ auch dreißig Jahre. Die sind noch nicht um. 

Bartleby und Philosophie. Die Erweckung kam durch Albert Camus „Sisyphos“. Danach ging es Schlag auf Schlag: Kant, Nietzsche, Schopenhauer. Aber erst bei den griechischen und römischen Stoikern hat er die Antworten gefunden, nach denen er ein Leben lang gesucht hatte. Ein Leben ohne Sinn kann ein Geschenk sein. Heute kämpft Bartleby in der „Giordano Bruno Stiftung“ für radikale Säkularität.

Bartleby und Kunst. Über hundert Bilder an den Wänden. Schon morgens das Gefühl, im Brücke-Museum zu frühstücken. Im Arbeitszimmer erinnern van Gogh und Cezanne an Reisen in die Provence. Das Wohnzimmer dominiert ein verstörender Jackson Pollock. Aber auch kein Tag ohne einen Blick auf Mondrian, Magritte und Edward Hopper.

Bartleby und Musik. Sozialisiert wurde er in den 50ern mit Rudi Schuricke und schunkelnden Musikantenstadeln. Aber dann kam Elvis. Mutter mochte seine „Negermusik“ nicht. Sie hatte noch Zarah Leander im Ohr. Beatles oder Stones? Natürlich beide! Unvergessliches Highlight ein Konzert von Neil Young in der sommerlichen Waldbühne. Auch ein schönes Gefühl, zusammen mit Hannes Wader, Konstantin Wecker und Reinhard May langsam alt zu werden.

Bartleby und Filme. In den frühen 50ern in Berchtesgaden verliebt in die Nachbarin Romy Schneider. Aber was hatte Alain Delon, was der junge Bartleby nicht hatte? Der hat Sissi dann mit Marilyn Monroe betrogen. Und später davon geträumt, als  Humphrey Bogart der kühlen Lauren Bacall lässig eine Zigarette anzuzünden. In Bartlebys Bibliothek stehen als Modelle der Porsche von James Dean mit der legendären Nummer 130 und der Ford Mustang von Steve McQueen aus „Bullit“. Woody Allen wurde aber auch ganz ohne Auto sein Vorbild für einen Stadtneurotiker.

Bartleby und Kabarett. In seiner Jugend vom Vater auf Werner Finck aufmerksam gemacht. Mit 16 den „Simplicissimus“ abonniert. Im Radio „Stachelschweine“ und die Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“ gehört. Der „Scheibenwischer“ mit Dieter Hildebrandt wurde in Bayern einmal verboten. Das droht der „Anstalt“ vielleicht auch bald. Der unvergleichliche Georg Schramm warnte schon vor langem davor: „Thomas Bernhard hätte geschossen!“

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