Ulrich Kubitz 18. Oktober 1939 – 8. Januar 2022

Wenn ich tot bin,
mir soll mal Einer
mit Auferstehung oder so kommen:
ich hau ihm Eine rein! 

Arno Schmidt  

Bartlebys Wunsch:
„kein Beileid.
Lieber Musik von Mozart oder Miles Davis hören,
etwas von Heinrich Heine oder Hemmingway lesen,
Gemälde von Magritte oder Jackson Pollock anschauen
oder einen alten Film von Woody Allen.
Dazu einen wunderbaren Malt Whisky.
Dann lebt Euer Leben.“

Der junge Bartleby

Alexander Gerst +++ dehydriert +++ Parkraumbewirtschaftung +++ Werner Schneyder +++ Thüringer Bratwurst +++ Alena Buyx +++ Donnerstag +++ Reinhard Mey +++ Karl Lauterbach +++ Großes Latinum

Heute keine Politik (leider), nichts zur Pandemie, zu Bränden und Fluten und auch nichts zu Afghanistan. Statt dessen hat der Astronaut Alexander Gerst das Wort: „Tatsächlich haben meine Kollegen und ich manchmal aus der Aussichtskuppel der ISS geschaut und uns vorgestellt, was jetzt wohl Außerirdische denken würden. Sie würden Wesen beobachten, die sich gegenseitig bekriegen und die Natur zerstören. Da stellt sich schon die Frage, ob diese Aliens uns als intelligentes Leben einordnen würden. Vielleicht würden sie lieber erst mal einen Planeten weiterfliegen.“

In den letzten Wochen habe ich die schlimmste Zeit seit meiner Chemotherapie erlebt. Die Hitzeperiode im Juli hat mich total dehydriert. Ich wusste zwar, was das bedeutet, aber nicht wie es sich anfühlt, wenn man es ist. Acht Tage nichts essen, kaum was trinken, Toilette unmöglich und vor allem keinen Schlaf finden. Im Grunde war Bartleby mausetot. Schließlich gab ihm sein andalusischer Leibarzt Fritz den entscheidenden Tipp. Das Kriegskind in ihm hat versucht, seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Das hilft meist, aber noch mehr hilft es, wenn Bartleby sich über den Schwachsinn von Behörden aufregen kann. Und auf die ist in Berlin immer Verlass. Dann springt der alte Mann nullkommanix aus seinem Bett und braucht keine Tabletten mehr.

Beispiel: Im Sommer wurde auch in unserer Straße die Parkraumbewirtschaftung eingeführt. Fand ich vernünftig, habe brav meinen Obolus entrichtet und auf meine Plakette gewartet. Das funktioniert vielleicht so in Posemuckel, aber nicht im Bezirksamt Berlin Mitte. Die Plakette bekam ich bis heute nicht, dafür aber ganz schnell zwei Strafzettel. Also raus aus dem Bett und den unfähigen Beamten im Bezirksamt ein paar freundliche Zeilen gewidmet wie diese:

„Hallo Leute, was hatte man Ihnen damals auf der Sonderschule für Berliner Beamte beigebracht? Wenn eine Parkzone eingerichtet wird, ERST die Ausweise versenden und DANACH die Politessen losjagen und nicht umgekehrt. Richtig! Am 16.02.2021 haben Sie mir meinen Antrag auf Ausstellung eines Bewohner-Parkausweises und meine Zahlung bestätigt. Bis heute warte ich auf die Plakette. Wie ich gesehen habe, stehe ich damit nicht alleine. Statt dessen bombardieren mich Ihre Politessen mit Strafzetteln. Wir behelfen uns inzwischen damit, unsere Anträge hinter die Frontscheibe zu legen. Schauen Sie doch einfach mal in Ihrer Ablage „NICHT ZUSTÄNDIG“ nach. Wenn nicht, hilft vielleicht auch der Tipp des Kabarettisten Werner Schneyder weiter: „Versuchen Sie es einfach mal mit Intelligenz. Das tut nicht ganz so weh, wie Sie vermuten.“ Die Polizei kennt offenbar ihre Pappenheimer in Mitte und hat schon zwei Verfahren gegen mich eingestellt. Aber wir können das Spielchen natürlich noch eine Weile so weitertreiben, sozusagen als ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) für die Truppe der Polizeipräsidentin.“

Die Plakette habe ich bis heute nicht, meine Beschwerden wurden natürlich nicht beantwortet. In den 60ern war Berlin das Eldorado für Wehrdienstverweigerer. Das hat die Stadt vorangebracht. Heute ist Berlin das Eldorado für Beamte aus ganz Deutschland, die sich in irgendeiner Behörde hier den Arsch auf ihrem Bürostuhl wärmen wollen.

Bartleby bereitet sich schon langsam auf seine 3. Schutzimpfung vor. Nicht in Thüringen und nicht in der Erwartung, dafür umsonst eine Bratwurst zu kriegen. Aber Dumme aus dieser Gegend, die so einen Anreiz brauchen, hat Bartleby schon einmal erlebt: das war bei der Wahl von Helmut Kohl nach der Wende. Der hatte den Ossis zwar nicht Bratwürste für ihre Stimme versprochen, dafür aber einen Haufen Bananen. Hat funktioniert wie Otto Schily es damals am Wahlabend sarkastisch kommentiert hat.

Als Bartleby vor ein paar Jahren nach Tansania gereist ist, musste er vorher einige Impfungen gegen Tropenkrankheiten über sich ergehen lassen. Ohne die hätten ihn die Afrikaner zu Recht nicht ins Land gelassen. In Tansania ist er Löwen, Elefanten und Nashörnern begegnet, aber keinem einzigen Thüringer. Die blieben lieber mit Hund, Katze, Maus in ihren Sonneberger Schrebergärten. Keine Bratwurst, kein Afrika.

Frau Prof. Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, bringt das Thüringer Verhalten auf den Punkt: „Ich schütze mich nicht, ich schütze dich nicht und sorge so dafür, dass die Pandemie nicht endet.“ Treffender kann man es nicht formulieren. Ganz nebenbei, kann mir jemand erklären, wieso Wissenschaftlerinnen heute so viel besser aussehen als zu der Zeit, als ich selbst noch jung und hübsch war? War jetzt sexistisch, ich weiß, ich weiß. Aber Bartleby ist eben in einer Zeit aufgewachsen, in der noch nicht gegendert wurde.

Neulich beim Frühstück ein flüchtiger Blick auf den Kalender. Donnerstag ist ja immer Ökomarkt auf dem Wittenbergplatz. Schnell noch den Einkaufszettel gemacht: Das Übliche wie Sauerkraut, Roasterkeule, Schinkenmett und als Bonbon diesmal eine frisch geräucherte Forelle. Noch einen Schluck Kaffee und dann aber los. Am Wittenbergplatz angekommen ein seltsames Bild: kein Marktstand für Sauerkraut, keiner für Geflügel und auch der Metzger meines Vertrauens hat nicht aufgebaut. Was ist hier los? Sommerpause, Schulferien oder Corona? Ich frage einen Einheimischen, wann denn das hier mit dem Markt wieder losginge. Antwort; jeden Donnerstag. Ich: Und warum dann nicht heute? Er: Weil heute erst Mittwoch ist. Ich: NEIN!!! – Er: DOCH!

Da stand ich nun mutterseelenallein mit meinem Einkaufszettel in der Hand auf dem gähnend leeren Markt und wusste nicht, ob ich lachen oder mich schämen sollte. Wo soll das Alles enden? Keine Ahnung, aber vorerst einmal auf der nach oben offenen Skala der peinlichsten Momente in meinem Leben ganz weit vorne. Ich befürchte, da kommt noch mehr. Elke versuchte, mich zu trösten. Reinhard Mey sei etwas Ähnliches passiert. Könnt ihr euch auf Youtube anhören: „Ankomme Freitag, den 13. um 14 Uhr.“ Ich fand den Reinhard schon immer sehr sympatisch.

Sympathisch fand ich auch immer schon Karl Lauterbach, den Untermieter von Markus Lanz. „Ich trinke jeden Tag Wein, esse sehr einseitig, mache kein Yoga.“ Und der Mann ist Arzt. Ich dachte immer, ich stünde damit alleine da. 

Als Katzenvideo-Junkie kann ich euch meinen letzten Fund nicht vorenthalten. Also Youtube aufrufen und „Dog sleep farting makes cat angry“ suchen. Ist doch klar, dass ich diesen Clip Elkes Katze nicht zeigen werde, wenn sie demnächst bei mir wieder ihre Katzenpension bezieht. Sie ist ja auch so eine Empfindliche.

Wenn ihr schon auf Youtube seid, schnell noch ein Click auf „Bester Dialog Schimanski & Thanner (Tatort Duisburg).“ Bartleby ist ja einer der Letzten, die beim Abi noch das „Große Latinum“ ablegen mussten. Lange hat er gerätselt, wozu das Ganze. Dann später beim Gestrampel in irgendeinem Bett kam ihm die Erleuchtung. Es gibt Momente, in denen dich nur noch die lateinische Grammatik retten kann. 

Als Rausschmeißer noch ein Tweet eines Altersgenossen aus dem Tagesspiegel, der auch von mir hätte sein können: „Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich zwei Tage Jetlag habe, wenn ich bis an die Ostsee gefahren bin.“ 

Newsletter Extra – „allesdichtmachen“

Hier ein Überblick über die neuen Corona-Verordnungen: „Ab null Uhr herrscht Maskenpflicht für die Sternzeichen Jungfrau, Waage und Wassermann und für alle Volvo-Fahrer, außer wenn sie grüne Socken tragen. Die Maßnahme gilt nur von 

18 Uhr bis 21.30 Uhr, vorausgesetzt, Sie fahren einen Audi mit einer 17 im Kennzeichen. Wenn ihre Hausfarbe gelb ist, dann dürfen Sie nicht aus dem Haus, außer es steht auf der rechten Straßenseite. Die Ausnahme entfällt jedoch, wenn ein Parkplatz davor ist.“

Der österreichische TV-Journalist Ferdinand Wegscheider hat die Lage im vergangenen Oktober so zusammengefasst. Jakob Augstein zitiert ihn in seinem Leitartikel im aktuellen „Der Freitag“ zu der ganzen Aufregung um Jan Josef Liefers und die Aktion „allesdichtmachen“. 

Doch zuerst mal ein Blick in den Duden. „Satire“, steht da, „ist eine Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), die durch Übertreibung, Ironie u. Spott an Personen od. Zuständen Kritik übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt“. 

Genau das haben etwa 50 KünstlerInnen mit ihrem Versuch gemacht, gegen nicht nachvollziehbare und unverhältnismäßige Einschränkungen gerade im Kulturwesen zu protestieren. Zugegeben, nicht jeder Beitrag war gelungen. Aber was wirklich schlimm war, waren der Shitstorm und die Reaktionen der regierungsfrommen Medien, leider auch von Teilen meines Tagesspiegels.  

Was einige von euch vielleicht wissen, ist, dass ich rund um 1968 einige Semester Publizistik an der FU Berlin studiert habe. Das hat meinen Blick bis heute geschärft. Direktor des Instituts war Harry Pross, vormals Intendant von Radio Bremen. Ein Liberaler wie er im Buche steht. In dem USA- und Springergeilen West-Berlin ließ er uns die Vietnam-Flagge auf dem Institut im feinen Dahlem hissen. Die Frontstadt kochte vor Wut. „GEHT DOCH RÜBER!“

Aber was mich geprägt hat bis heute war sein Seminar über Manipulation in der Presse. Er erinnerte uns an die Römer und ihr berühmtes Feldzeichen, die Manipel, hinter der die Kohorten sich versammelten und marschierten. Und er warnte seine Studenten (ja, durfte man damals noch so sagen), jemals hinter so einer Manipel herzulaufen, sei es eine Zeitung oder ein Sender. Das war für uns nicht einfach. Axel Springer hatte damals die Stadt fest im Griff und im Sender Freies Berlin saßen die rechten Frontkämpfer der SPD. Bartleby empfand das damals wie ein Berufsverbot und zog seine Schlüsse: „Ich möchte lieber nicht.“

Heute erkenne ich wieder eine Manipel, hinter der die staatstragenden Medien herlaufen. Ein Ministerpräsident sagt zum Infektionsschutzgesetz in die Kameras, das sei ein Tiefpunkt für das föderale System der Bundesrepublik, stimmt aber im Bundesrat trotzdem zu. Kritik in den Medien? Habe ich nicht gehört, aber vielleicht liegt das an meiner Alterstaubheit.

Dafür arbeiten sich die Medien an den besorgten, enttäuschten und verärgerten Künstlern ab. Aber woher sollte die Journaille auch wissen, was Satire ist oder sein kann? Ich erinnere mich noch gut an den Deutsch-Unterricht in meiner Konrad-Adenauer-Schule in Eschwege oder hieß die anders? Goethe, Schiller, Lessing, Hebbel bis zum Abwinken, aber Satire? Gabs nicht trotz Heinrich Böll und Kurt Tucholsky. War das nicht der, der gesagt hat „Was darf Satire? – Alles!“ Als Ersatz musste „Familie Hesselbach“ im Hessischen Fernsehen herhalten. Danach durfte sich das Volk die Zipfelmütze wieder über die Ohren ziehen. 

Ein Lichtblick im überwiegend braunen Kollegium war damals mein Deutschlehrer Henner Kaiser. Einerseits sollte  er aufpassen, dass ich in unserer Schülerzeitung nicht über die Stränge schlage, andererseits gab er mir den Rat, mich doch intensiv mit Heinrich Heine zu beschäftigen. Ich habe ihn nicht beim Direx verpetzt, Heine gelesen und den „Simplicissimus“ abonniert. Das hätten all die Klugscheißer, die jetzt auf Liefers und Co. herumhacken, vielleicht auch tun sollen. „Titanic“ und „Pardon“ lasse ich gerade noch durchgehen. 

Wer die Video-Clips von „allesdichtmachen!“ noch nicht gesehen hat, sollte das auf Youtube nachholen. Zum Einstieg empfehle ich Liefers und Ulrich Tukur. Wer von euch das große Satire-Abitur bestanden hat, darf sich auch an den nachdenklichen Beitrag von Hanns Zischler wagen. Von Boris Palmer gibt es zwar keinen Clip, ist ja auch kein arbeitsloser Künstler. Aber er richtete in der letzten Talkshow von Maybrit Illner ein Wort an den viel gescholtenen anwesenden Jan Josef Liefers: „Danke für diese Aktion.“ Verehrter Harry Pross, es gibt wohl doch noch Hoffnung.

Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder. Ihr kennt doch den grummeligen alten weißen Mann aus Charlottenburg: Harald Martenstein. In seiner Glosse in meiner heutigen Sonntagszeitung lästert er wieder mal über die Identitätsultras, die am liebsten alle alten und beliebten Bücher in political correctness umschreiben lassen würden. Wie wär´s damit, schreibt er, endlich auch Tucholsky auf den Stand der Zeit zu bringen? Vorschlag für die Gesamtausgabe: „Satire darf alles, außer Corona und Medien.“ Mensch Tagesspiegel, es geht doch!

Indianerhäuptling +++ Karl May +++ Rampensau +++ Gegrillte Leber +++ Marlon Brando +++ Hausgötter +++ Witze +++ Prinz Philip

Bettina Jarasch, viele von euch kennen sie gar nicht, ist die Spitzenkandidatin der Grünen für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September. Sympathische Frau, aber sie hat einen entscheidenden Fehler. Sie hat verraten, dass sie in ihrer Kindheit gerne Indianerhäuptling gewesen wäre. In ihrer Kindheit! Als Mädchen! Wo gibt’s denn sowas? Die Political-correctness Ultras der Grünen waren außer sich und schwangen den Tomahawk. Die nette Bettina knickte ein und betonte, dass das Ganze natürlich nur eine Kindheitserinnerung war. Ach Bettina!

Bartleby war auch einmal Indianerhäuptling. Da war er etwa 13 und auf dem Kriegszug gegen den bösen Stamm der Nachbarsiedlung. Ein Hin und Her wie bei Karl May. Dann hatte er endlich die schöne Tochter des anderen Häuptlings gefangen – es war nicht Bettina Jarasch – und an einen Marterpfahl gefesselt. Als er sie so wehrlos vor sich sah, kamen Gefühle in ihm auf, die er sich besser für später einmal aufgehoben hätte. Um es kurz zu machen, wir haben nicht geheiratet.

Was erwarten die grünen Sektierer//::**innen (richtig so?) jetzt vom alten Häuptling? Soll er jetzt „Lederstrumpf“, „Der Letzte der Mohikaner“ und die drei Winnetou-Bände und alles andere von Karl May einfach verbrennen? Aber wo? Der Bebelplatz geht ja nicht mehr, der ist seit den Nazis kontaminiert. Und soll er jetzt „Chingagooch, die große Schlange“ mit Gojko Mitic auf DVD entsorgen? Ein DDR-Indianer. Das geht schon gar nicht. Dann schon lieber die Platte mit dem Ami-Wessi Gus Backus und seinem „und dann sprach der alte Häuptling der Indianer: wild ist der Westen und schwer ist der Beruf“ Uff! Aber mit dem Beruf hatte er recht.

Hätten die Grünen mich für ein politisches Amt vorgeschlagen, wäre ich bestimmt auch nach meinen Kindheitserinnerungen mit Indianern gefragt worden. Bitte sehr, hier ist eine: Eschwege in den 50ern. Festspiele in der Freilichtbühne am Leuchtberg. Unser Gymnasium hatte ein Wild-West-Stück einstudiert. Der Obersekundaner Bartleby gehörte zu den Siedlern, die am Lagerfeuer „Oh my darling Clementine“ singen sollten. Wenn uns die Indianer aus der Sexta überfallen, sollten wir uns nach kurzer Zeit zurückziehen. Soweit der Plan. Aber plötzlich stand ich allein auf der Bühne und lauter schreiende Sextaner zerrten an mir herum. Ich machte das, was auch Old Shatterhand gemacht hätte. Ich griff mir einen Indianer nach dem anderen und schmiss die kleinen Rothäute wie lästige Gartenzwerge durch die Gegend. Konnte gar nicht aufhören. Das Publikum war begeistert. Es war der Moment, wo ich merkte, dass ich das Zeug zur Rampensau hatte. Aber für die Grünen hätte das natürlich nicht gereicht.

Harter Schnitt: Corona, zweite Impfung. Alles wie beim ersten Mal. Und jetzt darf ich vielleicht bald zurück in die Kultur und in Restaurants. Wenn mich Touristen dann in der Außengastronomie inmitten von lauter Über-Achtzigjährigen entdecken, werden sie zuhause berichten, Berlin sei das größte Altersheim der Welt. Na und?

Mein erster Gang geht zu meinem Lieblings-Jugoslawen: Gegrillte Leber mit einem großen Haufen Röstzwiebeln. Könnte ich mich wegschmeißen dafür. Hoffentlich gibt’s den Laden dann noch. 

Dumm nur, dass einige ungeimpfte junge Hüpfer jetzt neidisch auf Alte wie Bartleby sind. Hört mal zu, Jungs: Für Staats- und Verfassungsrechtler ist ohnehin klar: Nicht die Gewährung von Grundrechten muss begründet werden, sondern deren Einschränkung. Verstanden? Und habt ihr mal daran gedacht, dass Bartleby und seine alten Kumpels nicht mehr so viel Zeit haben wie ihr? Ihr dagegen könnt noch Jahrzehnte im Berghain die Hosen runterlassen. Nicht, dass ich euch darum beneide. Jeder Lockdown bedroht all das, worauf sich Menschen wie ihr sich nach dem Ausnahmezustand freuen: Theater, Bars, Restaurants, Kultur und Reisen. Die Freiheit der Geimpften, das Geld von Bartleby und seiner Kohorte, kann helfen diese Dinge zu sichern, für euch, die ihr euch jetzt noch gedulden müsst. Marlon Brando als Pate nennt das ein Angebot, das ihr nicht ablehnen könnt.

Ich suche jetzt Trost bei meinen Hausgöttern Richard David Precht, Jan Böhmermann und Friedrich Küppersbusch. In puncto Zynismus macht Küppersbusch keiner was vor. Gerade stellte er mir das Saarland mit seinem Corona-Sonderweg vor:  „Nationalgericht des Saarlands? Fertig Erbrochenes.“ Bartleby gefällt das. 

Kann man über Corona Witze machen? Kann man. Gefunden in meinem Tagesspiegel: Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: „Du siehst aber schlecht aus.“ Der andere: „Ja, ich habe Homo sapiens.“ Sagt der erste: „Hatte ich auch mal. Geh zum Arzt und lass dir Corona verschreiben.“

Ein Tweet aus demselben Blatt: „Unser Großer (9) hat wegen dem ganzen Stress im Home-Schooling wieder mit dem Rauchen angefangen.“

Schluss mit Corona! Am Wochenende gibt’s bei Bartleby mal wieder Eisbein. Für euch gibt’s eine Frage: „Woran erkennt man einen Veganer? –  Dass er es dir erzählt.“

Aus aktuellem Anlass ein kurzer Nachruf auf Prinz Philip. Bartleby hat ihn immer wieder bewundert, wie er sich mit legendären Boshaftigkeiten neben seiner Lisbeth behauptet hat. Kleine Anekdote aus der SZ: „Prinz Philip blickte dem dekorierten Admiral auf die geschmückte Brust, es war 1968, das Königspaar besuchte Brasilien. Nachdem er lange genug auf die Auszeichnungen geschaut hatte, fragte er den Admiral, ob dieser all die schönen Orden auf dem künstlichen See der Hauptstadt Brasilia erworben habe. Philip liebte es, Menschen aus der Reserve zu locken. Der brasilianische Admiral hätte beleidigt sein können, er hätte patzig antworten können oder gar nicht. Der Admiral aber sagte: „Ja, Sir. Nicht durch Heirat.“

Zwei Männer auf Augenhöhe.

Newsletter Extra: Impfen mit Schopenhauer

„So, hab´s hinter mir. Bin erleichtert und mir geht’s bestens – jetzt ein Bierchen.“

Nee, das war nicht O-Ton Bartleby, das war Frank Zander, auch ein Ü80. Schade, dass wir uns nicht getroffen haben. „Nur nach Hause“ wären wir nicht gegangen, ist doch klar. Wie war denn das jetzt mit dem Impfen, will Alexa wissen. Du bist doch das größte Weichei, das ich kenne. Genau, und deshalb waren die letzten Wochen und Monate für mich die Hölle. Wann auch immer ich TV oder Internet eingeschaltet habe, sofort wurde jemandem eine Spritze in den linken Arm gejagt. Spritzen, Spritzen, Spritzen, ich konnte diese Bilder nicht mehr sehen. Ich habe seit etwa 30 Jahren einen Hausarzt. Wenn ich den besuchte, war es, als ob ich sein Wohnzimmer betrete. Keine Schränke voller Medikamente, keine Tische, auf denen Spritzen bereit liegen. Es gibt nur intensive Gespräche und danach das Gefühl, dass das mit meinem Wehwehchen schon wieder wird.

Hab dich nicht so, Bartleby, das ist doch nur ein Piks, höre ich euch sagen. Für euch vielleicht, aber nicht für mich. Der junge Bartleby litt nach dem Krieg an Traumata durch Bomben und Flucht. Dann kam noch ein drittes hinzu. Ich lebte als Schulkind fast zwei Jahre bei meinen Großeltern in Thüringen, Russische Zone. Grundschule. Nach Entlausen war Impfen dran gegen Diphterie. Antreten auf dem Schulhof mit freiem Oberkörper in Reih und Glied wie beim Militär. Dann stand der russische Militärarzt vor mir mit einer Spritze, gefühlt so dick wie ein Bleistift, und rammte sie mir mit Schwung, nein, nicht in den Arm, sondern mitten in die Brust. Klar, für ihn war ich nur ein Nazikind. Aber ein Schrecken, den der damals 8jährige Junge bis heute nicht vergessen hat. 

Zurück zu meinem Impftermin. Das Gesundheitsamt hatte wohl bei mir beginnende Demenz vermutet und zwei Erinnerungs-Mails geschickt. Dann war er da, der Tag der Tage. Der Senat spendiert ja den Senioren, die sich zu gebrechlich fühlen, um mit ÖPNV oder eigenem Auto zum Impfzentrum zu fahren, die Hin- und Rückfahrt mit Taxen. Bartleby macht für sich den Gebrechlichkeitscheck. Überraschendes Ergebnis: ein Wrack. Darüber freut sich der Taxifahrer. Er macht die Tour offensichtlich nicht zum ersten Mal. An den Messehallen angekommen, bekomme ich von einem Taxi-Offiziellen gleich den Coupon für die Rückfahrt. Dann schmeißt mich mein  Taxifahrer raus. Und jetzt?

Am Eingang warten mehrere junge Männer und Frauen in blauen Westen darauf, mich in das Impfzentrum zu lotsen. Alle strahlen mich freundlich an. Ich komme mir vor wie beim Evangelischen Kirchentag. Wem soll ich mich anvertrauen, Mann oder Frau? Um nicht gleich den Gender-Ultras Zucker zu geben und in die Schublade „alter sexistischer weißer Mann“ gepackt zu werden, entscheide ich mich schweren Herzens für einen netten jungen Mann. Tut mir leid, Mädels, aber die Zeiten sind nun mal so.

Dann beginnt der große Rundgang durch die Messehalle 21, in der „Grünen Woche“ immer der Stand von Brandenburg. Während ich mich dort in der „Grünen Woche“ immer durch die Massen kämpfen muss, werde ich jetzt alle paar Meter von einer blauen Weste zur nächsten gelotst. Bartleby spürt, wie so langsam Unwillen in ihm hochsteigt bei soviel demonstrativer Fürsorge. Pause. An einem Schalter ordnet ein junger Mann meine Papiere und geht mit mir noch einmal den Anamnese-Bogen durch. Ob ich noch ein Gespräch mit einem Arzt führen möchte? Nein, danke. Bei der Liste meiner Vorerkrankungen bin ich ja selber schon fast ein Arzt.

Weiter geht’s von Weste zu Weste bis in eine große Kabine. Hier muss es passieren. Bartleby, jetzt reiß dich zusammen. Ein Arzt kommt und bittet, den linken Arm freizumachen. Hat Bartleby tausendmal im TV gesehen und natürlich zuhause geübt. Beim 3. Hemd hat es geklappt. Nochmal kurz an den Russenarzt gedacht und Augen zu. —- Wie, das war´s schon? Herr Doktor, das war doch kein Piks, das war nur ein kurzes Kitzeln. Sind Sie sicher? Eine junge Frau in blauer Weste dokumentiert das Kitzeln in meinem Impfpass. Stempel des Arztes: Prof. Dr. F. Facharzt Diagnostische Radiologie. Ich wusste gar nicht, dass Radiologen mit Spritzen umgehen können. Habe ich jedenfalls bei meinen CT und MRT nicht erlebt. Egal, schon finde ich mich in der Lotsenkette wieder und soll in einem abgesperrten Terrain darauf warten, ob ich auf das Impfen allergisch reagiere. Mit mir sitzen da Dutzende von Gleichaltrigen auf Abstand. Ein Blick in die Runde. Fast alle lesen ein Buch, keiner starrt auf ein Smartphone. Old-Berlin at its best. Bartleby hat sich natürlich passend vorbereitet: Arthur Schopenhauer „Die Kunst, alt zu werden“. Lauter schöne Aphorismen wie dieser: „Man muss nur hübsch alt werden, da giebt sich alles.“ Wie wahr …

Die blauen Westen geleiten mich zum Ausgang und dann stehe ich vor meinem Taxi für die Rückfahrt. Ich lasse mich vor EDEKA rausschmeißen und hole mir im Weinregal aus der obersten Reihe einen nicht ganz billigen Bordeaux. Sorry, lieber Frank Zander, aber nur ein Bierchen wäre mir nach diesem Tag doch zu prollig. Am 31. März ist mein 2. Termin. Ich hoffe, der kitzelnde Professor hat dann wieder Dienst. Und die hübsche blaue Weste am Eingang natürlich auch. 

Fazit dieses Tages: Wie ihr wisst, ist Bartleby, wenn es um das Bashing von Berliner Behörden geht, immer vorne dran. Das ist diesmal nicht möglich. Die Organisation des Impfzentrums und der Ablauf dort ist eine Meisterleistung, von wem auch immer. Gekrönt wird die gelungene Logistik von den zahlreichen Hilfskräften, deren Freundlichkeit fast vergessen lässt, dass es hier eigentlich auch um Leben oder Tod geht. Hier haben offenbar in der Verwaltung die richtigen Leute die richtigen Knöpfe gedrückt. Geht doch, Berlin! Überzeugt euch selbst davon, wenn ihr dran seid: Messehalle 21 am Funkturm (Biontech). 

Es ist Abend geworden und der alte Mann aus Moabit trinkt sein erstes Glas Bordeaux. Dazu ein passender Aphorismus von Arthur Schopenhauer:

„Ermüdet steh´ ich jetzt am Ziel der Bahn,
Das matte Haupt kann kaum den Lorbeer tragen:
Doch blick´ ich froh auf das was ich gethan,
Stets unbeirrt durch das, was Andere sagen.“

    

Inge aus Lichtenberg +++ Homeschooling +++ Volksentscheide +++ AFD +++ tatütata +++ Anwohnerparkausweis +++ Bäume und Vögel +++ Tansania-Urlaub +++ Tauben und Katholiken +++ Hausfrau +++ Alexa

„Wenn ich das Virus bekäme, würde ich sagen: Damit hat sich die Sache. Ich möchte nicht beatmet werden.“ So lautet ein Tweet von Inge aus Lichtenberg in meiner Zeitung. Eine Frau, die Corona auf den Punkt bringt. Respekt. Bartleby wird in Ruhe darüber nachdenken.

Böser Tweet zum Thema Homeschooling: Die Behauptung, die Kids hätten nicht mehr gelernt als sich die Hände zu waschen und dass ihre Eltern noch schlechter in Mathe sind als sie selbst, ist demnach ein schöner Gag. 

Auch böse: „Es lässt sich nicht mehr abstreiten, dass sich der Ton bei den Selbstgesprächen seit einiger Zeit deutlich verschärft hat.“ Deshalb wohl auch die Flucht Bartlebys in einen neuen Newsletter.

Die Berliner lieben Volksentscheide, ob es um das Tempelhofer Feld geht oder um den Erhalt des Flughafens Tegel. Jetzt der neueste in der pipeline: Volksentscheid für die „größte autoreduzierte Zone der Welt.“ Unter anderem sollen pro Person nur noch zwölf private Autofahrten im Jahr erlaubt sein. Mit anderen Worten: In Prenzlauer Berg gehen die Kinder künftig nur noch einmal im Monat in die Schule.

Die AFD tut sich ja bekanntlich schwer mit konstruktiven Beiträgen im Parlament. Hier mal ein gelungener Versuch: Eine AFD-Abgeordnete wollte vom Bezirksamt Neukölln wissen, wie oft die Wörter „Scheiße“ und „Arsch“ am Rednerpult geäußert bzw. gerügt wurden („bitte nach Parteizugehörigkeit aufführen“). Geht doch!

Das habt ihr ja schon mitgekriegt, dass Bartleby die Verantwortlichen für Digitalisierung der Berliner Behörden schlicht und ergreifend für „dead wood“ hält. Bevor hier jetzt wieder das übliche Berlin bashing losbricht, ein Blick nach Hamburg und München. Die Hamburger Polizei hatte in einer Angelegenheit umfangreich ermittelt und ihre Ergebnisse auf ihrem Computer gespeichert. Anfrage der Münchner Polizei: Die selben Täter haben jetzt offensichtlich auch bei uns zugeschlagen. Schickt uns doch bitte eure Ergebnisse einfach digital rüber. Für uns Laien eine nachvollziehbare Bitte. Es gab nur ein Problem: Hamburg und München sind digital unterschiedlich ausgestattet. No chance! Aber die Hamburger Polizei hatte sich noch einen Rest analoges Denken bewahrt, verstaute ihren Computer in einem Polizeiauto und fuhr ihn mit tatütata von Hamburg nach München. Dort konnten sich dann die Kollegen persönlich ein Bild machen. Pech für die Gauner. Mit soviel Cleverness hatten sie sicher nicht gerechnet. (Hinweis geklaut bei „Extra 3“) 

Zurück in die digitale Wüste Berlin. Bartleby musste jetzt beim Bezirksamt einen Anwohnerparkausweis beantragen. Naiv wie er nun einmal ist, dachte er sich, Name, Anschrift und KfZ-Kennzeichen müssten dafür reichen. Alle benötigten Daten von ihm und seinem Auto liegen doch den Behörden digital vor. Aber nein, das „dead wood“ des Bezirksamts will, dass ich die „Kraftfahrzeugszulassungsbescheinigung Teil 1“ (Was ist das? Fahrzeugschein?) für das Amt als PDF-Datei hochlade („Auf zulässige Größe, Höhe und Breite achten!“). Das Bezirksamt geht offenbar davon aus, dass neben jedem Ü80 ein Sohn oder Enkel sitzt, der an dieser Stelle die Anmeldung übernimmt. Da haben sie bei Bartleby noch einmal Glück gehabt. 

Enkel Milan tat sein Bestes, kam dann aber doch noch an seine Grenzen. Zur Verifizierung seiner Zahlung der Parkgebühr soll Bartleby ein Code auf seine App geschickt werden. Kleines Problem: Bartleby hat gar keine App. Unvorstellbar, wie man als alter Mann ein Leben ohne APPs führen kann. Muss er sich jetzt noch schnell ein Smartphone kaufen? Aber Rettung naht: Milan, der Herr der APPs, übernimmt selbstlos die Zahlung. (Kriegt er doch wieder. Na sach mal, für wen haltet ihr mich?) Und wenn ich jetzt keinen Enkel hätte? Ich könnte auch um einen persönlichen Termin beim Bürgeramt bitten. Der nächste freie wäre im Juni. Immerhin. Irgendwann werde ich eine Bombe ins Rathaus werfen. Keine Angst, Leute, natürlich nur eine Stinkbombe. 

Bartleby ist heute mal wieder mit seinem Mercedes Cabrio (200 PS) gefahren. Nicht sehr weit, vielleicht zehn Meter oder zwölf. Was soll der Quatsch, Bartleby, höre ich euch sagen. Solltest du nicht langsam darüber nachdenken, deinen Führerschein abzugeben? Aber für meinen Kurztrip gibt es eine einfache Erklärung: Bäume und Vögel. Die Bäume, weil sie da stehen und die Vögel, weil sie darauf sitzen und auf mein Auto scheißen. Also umparken, sobald das möglich ist. Das war einmal ganz anders. Früher gab es in unserer Straße keine Bäume, ich konnte mein Karman Ghia Cabrio parken, wo ich wollte. (Siehe Foto von Klein-Tassilo mit seiner Agfa-Klack vom Balkon aus in den späten 70er-Jahren). Dann wurden plötzlich Eichen und Platanen gepflanzt. Bartleby als Grüner hat sich natürlich gefreut, die Vögel aber auch. Sie mussten jetzt nicht mehr über die Spree in den Tiergarten fliegen, um dort abzukacken. Jetzt konnten sie das vor meiner Haustür genau auf mein Auto machen. Krähen, Elstern, Tauben, Spatzen, alles, was da kreucht und fleucht und scheißt. Und das nicht nur einmal am Tag. 

Wenn Bartleby heute nach einer Tour zurückkommt, kann er nicht wie früher einfach am Straßenrand parken. Blick nach oben. Welche Gefahren drohen von den Latrinen im Baum? Jedesmal kommt ein traumatisches Erlebnis aus seinem Tansania-Urlaub wieder hoch. Robert, unser Fahrer, lud uns zu einer Fahrt im Morgengrauen ein. Wir sollten mal erleben, wie die Tiere wach werden. Warum nicht? Nach einer kurzen Strecke hielt er mit seinem Cabrio Landrover unter einem mächtigen Affenbrotbaum an. Blick nach oben: der Baum voller schlafender oder gerade erwachender Paviane. Die wiederum mit Blick nach unten: Wie auf Kommando von Robert entleerten plötzlich alle auf dem Baum ihre Blasen und mehr. Verdammtes inkontinentes Pack! Ein Königreich für eine Limousine! Robert tat ganz unschuldig. Bartleby hat ihm trotzdem ein gutes Zeugnis für seinen Chef ausgestellt und ein paar Euro dazu. Gruß an Roberto Blanco: „Ein bisschen Spaß muss sein.“

In Bartlebys Schlafzimmer sind ja im Laufe der Jahre so einige merkwürdige Sachen passiert. Aber das gestern war dann doch was Neues. Bartleby ist im Haus als der größte Lüfter bekannt. Von morgens bis abends bleibt das Fenster im Schlafzimmer sperrangelweit offen. Das ist aus naheliegenden Gründen dringend notwendig. Gestern wollte er sich wie immer zu seinem wohlverdienten Mittagsschlaf hinlegen. Er öffnet die Tür und erschrickt über ein wildes Geflatter in seinem natürlich ungemachten Bett. Ein Taubenpärchen war offensichtlich gerade dabei, eine Familie zu gründen. Bartleby hat das schnell mit einem coitus interruptus verhindert. Aber ein bisschen leid taten ihm die Tierchen trotzdem. Woody Allen hatte ihn schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass Tauben und Katholiken ein Leben lang monogam leben. Trotzdem: Bartleby will weder Tauben noch Katholiken in seinem Bett.

Zum Schluss noch eine kleine Episode für euch aus der Reihe „Opa erzählt vom Krieg“. In Erinnerung gerufen wurde sie mir durch die ewigen Gender-Diskussionen der letzten Zeit. Berchtesgaden in den 50er-Jahren am Gymnasium. Das neue Schuljahr beginnt. Der Klassenlehrer fragt alle Schüler nach den Berufen ihrer Eltern ab und trägt das in eine Liste ein. Die meisten Antworten sind erwartbar: Handwerker, Verkäufer, kleine Angestellte. Jetzt bin ich dran. „Kubitz! Dein Vater?“ Ich mit leicht unterdrücktem Stolz in der Stimme: „Rechtsanwalt.“ Wird notiert. „Aha, und deine Mutter?“ Meine Mutter, ja was, welchen Beruf hat sie? Juristin ist sie nicht, obwohl sie das Büro meines Vaters in unserer Wohnung am Laufen hält. Waschfrau ist sie auch nicht, obwohl sie jede Woche auf ihrem Waschbrett in der dampfenden Waschküche herumschrubbt. Sie ist auch keine Köchin, obwohl sie jeden Tag das Essen für die Familie zubereitet. Ist sie eine Näherin, weil sie ununterbrochen Kleidung für uns näht und strickt oder ist sie eine Erzieherin, die darauf achtet, dass aus ihren Jungs was wird? 

Der Lehrer mahnt: „Also, Kubitz, welchen Beruf hat deine Mutter?“ Der junge Bartleby ringt mit sich und beantwortet die Frage schließlich mit einem kaum hörbaren „Hausfrau.“ Darauf sein Lehrer: „Also ohne Beruf.“ So waren die 50er-Jahre.

Alexa, da bist du ja wieder. Lust auf etwas Politik?

Alexa: Fuck you!

Gut, dann vielleicht etwas über die Mars-Landung?

Alexa: Dachte mir schon, dass dir das nicht passt. Kostet ein Schweinegeld, aber wir müssen doch wissen, ob der Planet schon einmal bewohnt war.

Earth first, Mars second! Hätten wir mit dem Geld auf der Erde nicht etwas Sinnvolleres machen können? Zum Beispiel gegen den Hunger in der Dritten Welt?

Alexa: Da ist er wieder, der Gutmensch Bartleby. Hab dich schon richtig vermisst.

Eine Frage. Wenn irgendwann einmal intelligente Außerirdische die zerstörte Erde besuchen, woran könnten sie erkennen, dass hier einmal menschliches Leben existierte? 

Alexa: Weiß nicht. An den Ruinen von Atomkraftwerken?

Auch. Aber am besten an den kleinen Körpern von Millionen verhungerten Kindern. Die jedenfalls werden wir auf dem Mars nicht finden.

Veilchen +++ Elvis +++ Lola Astanova +++ Yuja Wang +++ Khatia Buniatishvili +++ Monika +++ Sylvia +++ Eileen +++ Elke +++ Heino +++ Frauenbeauftragter

An meinem Eschweger Gymnasium gab es einen Musiklehrer, den ich bis heute nicht vergessen habe. Wir nannten ihn alle das „Veilchen“, weil er uns wieder und wieder dieses Stück von Mozart vorspielte. Ein kleiner Mann mit Glatze und einem Buckel. Bevor er sich ans Klavier setzte, legte er sich immer zwei Telefonbücher auf den Klavierstuhl, um überhaupt die Tasten zu erreichen. Und dann spielte er seinen Mozart unbeirrt von der Menge pubertierender Hyänen um ihn herum.

Eine der schlimmsten Hyänen war natürlich Bartleby. Der bekam danach wie alle anderen als Hausaufgabe, selber mal ein Stück zu komponieren. Na warte, dachte sich das Pubertier. Konnte zwar keine Noten lesen, aber dass Noten für tiefe Töne unten stehen müssen und Noten für hohe oben, war ihm schon aufgefallen. Der Rest war einfach. Bartleby hörte sich auf seinem Plattenspieler immer wieder die Single „Don´t be cruel“ von Elvis an und verteilte dann dessen Musik wie gehört in seinem Notenheft nach unten und oben. Kurze Probe, doch, doch, hört sich irgendwie nach Elvis an. Das muss eine gute Benotung geben. 

Gab es aber nicht. Das Veilchen bestrafte meine Cover-Version mit Nichtachtung. Im Halbjahreszeugnis gab es wieder eine glatte „5“, im Jahreszeugnis aber doch wie immer eine „4 minus“. Gnade vor Recht, Versetzung also nicht gefährdet. Ich habe erst nach dem Abi erfahren, was das verspottete Veilchen für ein bemerkenswerter Mann war. Er hat Schüler unterstützt, die Probleme hatten, private oder finanzielle, und hat das immer für sich behalten. Er war mehr als ein Musiklehrer, er war ein Pädagoge alter Schule, der sich die Kraft dafür bei seinem Mozart holte. Respekt.

Gut, dass er nicht mehr erleben musste, was bei Bartleby passierte, nachdem der bei Youtube das „Veilchen“ von Mozart heruntergeladen hat. Plötzlich tanzten lauter Algorithmen auf seinem Bildschirm herum. Alles attraktive junge Frauen wie die Models von Fußballstars. Aber warum saßen die alle an einem Steinway-Flügel und hatten dabei fast nichts an? Als Bartleby das letzte Mal in der Philharmonie war, saßen am Flügel entweder ein ernster Mann im Frack oder eine ältere Frau im Abendkleid. Beide festlich gekleidet wie das Publikum. Aber was war denn jetzt los? War die Philharmonie auf einmal zu einem zweiten Berghain geworden?

Bartleby beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Alles auf You tube. (Name und Musiktitel eingeben) Zuerst spielt Lola Astanova „Will you be my Valentine?“. Ihre Strümpfe erinnern mich an die, die ich als Junge immer tragen musste, allerdings noch mit Strapsen. Mutter bestand darauf. Das Umziehen in der Kabine vor und nach dem Turnunterricht war jedes Mal eine Pein für den zarten Jungen. Aber mit Strapsen am Barren herumturnen, war für Turnvater Jahn unvorstellbar. Es gibt nicht viel auf der Welt, was Bartleby so gehasst hat wie Geräteturnen.

Dann Auftritt von Yuja Wang mit „Rhapsody in Blue“. Aber holla, die Waldfee!Erstaunlich, wie eine Frau mit solchen high heels zwar nicht Auto fahren, aber Klavier spielen kann. Andere wären schon auf dem Weg zum Flügel gestolpert. Hoffentlich hat sie sich dabei nicht erkältet.

Und zum krönenden Abschluss noch Zubin Mehta mit Khatia Buniatishvili mit „Schumann, Piano Concerto in A-Minor Op.54“. So nur auf die Musik konzentriert und kein bisschen auf die Pianistin neben dir kannst du nur sein, wenn du über 80 bist wie Zubin Mehta und Bartleby. Weiß jemand eigentlich, wann die Philharmonie wieder öffnet? 

Also: Sex sells jetzt auch in den Konzerthäusern. Hätte mich auch gewundert, wenn es anders wäre. Fehlen nur noch die Kirchen. Bartleby hätte da schon ein paar Ideen.

Bartleby, Frauen und Musik, das ist ein weites Feld. Danke Fontane. Ohne die Frauen in seinem Leben würde der unmusikalische alte Mann heute wohl immer noch die Wildecker Herzbuben hören. Das begann schon mit Monika. Sie brachte eine große Sammlung von Schallplatten mit klassischer Musik mit in die Beziehung. Bei ihr hörte er zum ersten Mal das Adagio aus dem Klarinettenkonzert A-Dur KV 622, das ihr vielleicht besser aus dem Film „Out of Africa“ kennt. 

Dann begegnete er Sylvia, einer blonden Schönheit und 17 Jahre jünger. Ja, mein Gott, was soll ich machen? Sie machte ihn mit Bob Marley und dem Reggae bekannt. Wenn da nur nicht die verdammten Drogen gewesen wären. Bartleby entführte sie, die noch nie aus Hannover herausgekommen war, an seine vertraute Cote d´Azur in der Hoffnung, das würde für sie vielleicht ein turning point werden. Wurde es aber nicht. „Sylvias mother says, Sylvia´s happy. So why don´t you leave her alone?“ 

(Dr. Hook & the Medicine Show). Kurze Zeit danach war ihr junges Leben zu Ende. 

Eileen habe ich als Elternsprecher in der Schule kennen gelernt, Ihr Sohn hatte seiner Mutter erzählt, dass ich meinen Sohn nur mit Ravioli und Fischkonserven ernähren würde. Naja, so ganz falsch war das nicht. Die begnadete Köchin beschloss, dass sich das dringend ändern müsste. So kam es, dass ich Van Morrison, die Dubliners und die ganze irische Folk Musik kennenlernte.  

Nach der „Wende“ war ich für die Allianz acht Jahre in der Ex-DDR tätig. Unzählige Seminare mit Frauen von Rügen bis zum Erzgebirge. Mutter warnte mich noch: „Pass auf in Sachsen, wo schöne Mädchen auf den Bäumen wachsen.“ Hab ich, aber nicht in Potsdam. Dort hat mir Elke den lässigen Manne Krug nahegebracht und vor allem Hannes Wader. („Viel zu schade für mich“).

Mensch, Bartleby, gab es denn überhaupt keine Männer, die dich auch musikalisch weitergebracht haben? Doch, gab es: Hasso-Borussia Marburg mit „O alte Burschenherrlichkeit“ und Heino mit „Schwarz-braun ist die Haselnuss“. 

Wenn ich das richtig zusammenzähle, steht es damit 4:1 für die Frauen. Überraschung? Ich denke, nein. – Sag mal Bartleby, was ist denn heute mit dir los? Du schreibst ja diesmal nur nette Sachen über Frauen. Das ist doch sonst nicht deine Art. Dabei ist noch gar nicht der Internationale Frauentag am 8. März. Hast du wieder heimlich Filme mit Romy Schneider gesehen? 

Nein, hat er nicht, aber er verrät euch jetzt etwas aus der Reihe „unnützes Wissen“. Er ist einer der ältesten Feministen im Kiez. Glaubt ihr nicht? Ein Beispiel: Kurz nach der Wende gab es bei der Allianz eine Betriebsratswahl. Bartleby trat dazu mit einer Liste aus engagierten Frauen an. Mit Erfolg. Er wurde mit dem zweitbesten Ergebnis in den Betriebsrat gewählt. Bei der Verteilung der Aufgaben ging es auch um den „Frauenbeauftragten“. Normalerweise immer ein Amt, das eine Frau ausgeübt hat. Diesmal aber wählte der mehrheitlich mit Frauen besetzte Betriebsrat ausgerechnet Bartleby zum Frauenbeauftragten. Einen Mann, einen richtigen Mann! Bartleby konnte es nicht fassen. Es war, als hätte ihn Alice Schwarzer geküsst. Ich denke mal, sie wusste, dass Frauen bei Bartleby immer gut aufgehoben sind. 

Zum Schluss noch was Aktuelles. Nein, nicht zu Corona, sondern zum Winter. In Berlin liegt nach Jahren ein Zentimeter Schnee auf den Straßen und die Flachlandtiroler heulen auf. Ich habe für euch mal ein Foto von 1951 aus Berchtesgaden rausgesucht. Ihr seht den jungen Bartleby und seinen kleinen Bruder in ihrer Schneeburg. Von dort aus haben die beiden die Passanten mit Schneebällen beworfen. War nicht ungefährlich, hat aber Spaß gemacht. Gab ja noch keine Smartphones.

Impftermin +++ dead wood +++ Genderkram +++ Henry Miller +++ Algorithmus +++ Kassel +++ Bomber Harris +++ Hannes Wader +++ Fräulein Dörge +++ Cindy und Bert +++ AFN +++ Blechbüchse

Hallelujah! Bartleby hat es geschafft, einen Impftermin zu ergattern. Erster Versuch per Telefon: Endlosschleife. Dann also online. Wird ja sicher genauso einfach sein wie Theaterkarten bestellen. Du gibst deinen Code ein und wählst auf einem Kalender die freien Termine aus. Fertig ist die Laube, wie der Ü80 Berliner sagt. Pustekuchen oder denkste Puppe, wie meine Mutter gesagt hätte. 

Statt bei der Gesundheitsverwaltung landest du bei einer Privatfirma, die Arzttermine mit allem Drum und Dran verwaltet und dich am liebsten auch gleich mit. Für diese Firma sind deine persönlichen Daten schließlich wichtiger als der ganze Corona-Kram. Nach mehreren Anläufen hatte ich es endlich geschafft. Ein Schnaps zur Belohnung. Aber dann eine Mail, dass mir noch während meines Buchungsvorgangs jemand anderes meine Termine geklaut hat. Noch mal von vorne bitte! War ich wirklich bei der Buchung eines Impftermins oder bei Ebay?

Warum können Berliner Behörden nicht das, was kleine Theater können? Warum übertragen sie die wichtigsten Aufgaben für ihre Bürger privat-wirtschaftlichen Unternehmen, die ganz andere Interessen haben? Ich sags euch. In meinem Soziologie-Studium habe ich gelernt, dass sich die Belegschaft von großen Firmen und Mitarbeitern von Behörden grob in drei Gruppen einteilen lässt: Der ersten Gruppe brauchst du nicht zu erklären, was sie zu tun hat. Sie weiß es und macht es. Die zweite Gruppe ist nicht ganz so helle, schafft aber ihren Job, wenn du ihr zeigst, wie das geht. Die dritte Gruppe besteht hauptsächlich aus Menschen, die intellektuell überfordert sind, Leistung nicht erstrebenswert finden oder innerlich schon gekündigt haben. Im Amerikanischen nennt man sie „dead wood“, totes Holz. 

Das erinnert mich an meine ordnungsliebende preußische Mutter. Wenn ich mit ihr im Wald spazieren ging, zeigte sie empört auf abgebrochene Äste und Gestrüpp: „Kann denn das nicht mal jemand aufräumen?“ Mutter ist schon lange tot. Ich hätte heute gerne mit ihr unsere Gesundheitsverwaltung besucht. Besser nicht, sie hätte ihre Worte von damals vermutlich wiederholt.

Das ist euch ja sicher auch schon aufgefallen, dass Bartleby mit dem gerade gehypten  Genderkram nicht viel am Hut hat. Wie kommt das? Spurensuche. Natürlich gab es auch in Eschwege Mädchen, sagt man jedenfalls. Aber keine von ihnen hat mich je angerufen und zu einer Keller-Party eingeladen. Das Telefon hat immer nur bei meinen Klassenkameraden geklingelt. Ich will hier keine Namen nennen, die Betreffenden wissen schon, wen ich meine. Die Erste, die meine Heterosexualität bemerkte, war meine Mutter, als ich sie bat, mir im Bad nicht mehr den Rücken zu schrubben. Ich hatte den Eindruck, sie war beruhigt. Dieser kleine Erfolg machte Mut. Bartleby kaufte die nächst gelegene Drogerie leer: Old Spice, Rasierwasser, Haarwasser, Pomade für die Elvis-Tolle und Tam Lo für die gesunde Bräune. Perfekt. Und was war das Ergebnis? Die Mädels machten große Augen und drehten auf hohen Absätzen um. Warum? Weil die Schmierfinken von „BRAVO“ sie vor mir gewarnt hatten: Die schönsten Männer seien meistens auch schwul. Rock Hudson, Rex Gildo und andere.

In Eschwege konnte ich also meine gerade entdeckte Heterosexualität nicht ausleben, also ab nach Kassel auf die Waldorfschule. Dort lasen meine Klassenkameradinnen schon lange nicht mehr BRAVO, sondern Henry Miller. Es kam natürlich wie es kommen musste. Mein Birkin-Haarwasser habe ich dort nicht gebraucht. Habe es noch heute. Vielleicht komme ich damit ja im Altersheim noch einmal groß raus.

Und, Bartleby, wie siehst du dich heute in der ganzen Gender-Hysterie aufgestellt? Vielleicht so: eine schlampige Hausfrau im Körper eines unverbesserlichen Heteros. Wie nennt ihr das genderkorrekt?

Wie ihr wisst, lässt Bartleby ja keine Sternstunde Philosophie in SRF Kultur aus. Letztens hat er dem Historiker Yuval Harari zugehört. Ein Satz ist ihm besonders hängengeblieben: „Der Mensch ist eigentlich nur ein Algorithmus.“ Ein Grund, darüber nachzudenken, was die Algorithmen eigentlich alles über ihn wissen. Als frommer kleiner Junge war Bartleby wirklich davon überzeugt, dass der liebe Gott alles sieht, was er macht, auch nachts im Bett unter der Decke. Eine schreckliche prägende Vorstellung. Aber nichts gegen Algorithmen. Beispiele: 

Bartleby will wissen, wann die nächste Documenta in Kassel stattfindet. Zuerst antwortet das Netz ganz brav, aber dann! Ich werde überschwemmt mit Filmen über die furchtbare Bombardierung von Kassel 1943 und als wäre das noch nicht genug. auch noch mit Filmen über das zerstörte Chemnitz von 1943. 

Ich war damals vier Jahre alt und wurde im selben Jahr in Berlin zum ersten Mal ausgebombt. Ich habe es überlebt und ein zweites Mal in Potsdam auch. Wer es nicht überlebt hat, war eine ganze Schulklasse meines späteren Gymnasiums in Eschwege. Die armen Jungs wurden vor dem Angriff nach Kassel gebracht und sollten dort bei der Flak aushelfen. Fast die ganze Klasse kam bei dem Angriff ums Leben. Ich habe in all meinen Jahren auf der Friedrich-Wilhelm-Schule nicht ein einziges Mal erlebt, dass es eine Gedenkstunde für diese Schüler gegeben hätte. Immerhin aber hatte man inzwischen das große Hitlerportrait in der Aula abgehängt. Immerhin.

Bartleby hatte schon vor seinem Abitur im geschundenen Kassel viel Sympathie für die Stadt. Unfassbare 97 % der historischen Altstadt mit all ihren Fachwerkhäusern versanken in Schutt und Asche. Und warum? Weil „Bomber-Harris“ testen wollte, ob sich Brandbomben am besten eignen, alte Innenstädte mit ihren engen Gassen zu zerstören. In Dresden hat er noch kurz vor Kriegsende gezeigt, was er aus Kassel gelernt hat.

Nein, versteht mich bitte nicht falsch. Ich habe Coventry nicht vergessen und auch nicht Rotterdam, Warschau und andere Städte. Solche Figuren wie „Bomber-Harris gab und gibt es in allen Kriegen. Sie brauchen Kriege, um sich auszuleben und die Kriege brauchen solche wie sie. Ohne sie wären sie ein Nichts.

Mein Gott, welch eine Wendung hat dieser Newsletter genommen. Aber manchmal überkommen mich Erinnerungen, gegen die ich machtlos bin. Sorry. Vielleicht hilft ein neuer Algorithmus. Bartleby wollte mal wieder von Hannes Wader „Viel zu schade für mich“ hören. Kennt ihr? Das Mädchen, dass immer Kniffe in seine Sofakissen machte. 

Die Kissen habe ich heute noch. Die Kniffe muss ich jetzt aber selber machen. Nur, es ist nicht dasselbe.

Nach dem Song haben mich die Algorithmen zugeschüttet mit Volksliedern von Hannes Wader. Diese Seite von ihm kannte ich so noch gar nicht. Das erinnerte mich an die Oma meiner Kindheit in Schlesien und Thüringen. Radio gab es für sie nicht. Dafür sang sie den ganzen Tag Volkslieder, vor allem in der Küche. Beim Gänse rupfen, Blutsuppe rühren, beim Abwasch und beim Strümpfe stopfen. Und immer mit einer herrlichen, glasklaren Stimme. Tag für Tag. Der kleine Bartleby kannte bald alle Volkslieder auswendig.

Dann kam er auf die Ev. Volksschule Berchtesgaden. Wir waren 53 Kinder in der Klasse und unsere Lehrerin hieß Fräulein Dörge. Wir sollten Volkslieder lernen. Wer kennt „Der Mond ist aufgegangen?“ Bartleby, damals noch die personifizierte Naivität, hebt den Arm. Er war der Einzige. Fräulein Dörge kam zu ihm, legte ihm ihren Arm auf die Schulter und meinte „Dann sing doch mal für uns die erste Strophe.“ Bartleby wäre am liebsten auf der Stelle im Königssee ertrunken. Aber da war ja noch Christel Fröhlich mit den blonden Zöpfen und der schönsten Stimme der Klasse. Das war die Chance seines Lebens. Er sang wie damals in Omas Küche: „Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar“. Fräulein Dörge war gerührt. Sie hat Bartleby und Christel in den Schulchor geschickt. Wir sind sogar einmal bei Radio Salzburg aufgetreten. Ich hab dann irgendwann Christel aus den Augen verloren. Glaubt es mir oder nicht, aus uns beiden hätte ein Paar wie Cindy und Bert werden können. 

So, Schluss für heute und mit den verdammten Algorithmen. „Its midnight in Europe“ verkündete um diese Zeit immer die markante John-Wayne-Stimme vom AFN der 60er Jahre, Und dann begann Musik jenseits von Freddy Quinn und Vico Torriani. Heute Abend aber Hannes Wader von 1990 mit „Ade zur guten Nacht“.

Auf dem Klassenfoto habt ihr den kleinen Bartleby sicher sofort erkannt, rechts wie auch im späteren Leben immer am Rand stehend. Wer genauer hinschaut, sieht auch, dass er in seiner linken Hosentasche eine Blechbüchse aufbewahrt. Sie war sein kostbarer Ersatz fürs Fußball spielen auf dem Schulweg. Seine alleinerziehende Mutter hatte damals kein Geld für einen richtigen Ball. Aber für ein Kriegskind war das kein Problem. Und wer ganz genau hinschaut, sieht, das zwei Jungs ganz vorne barfuß in die Schule kommen mussten. Was bedeutet da ein fehlender Fußball? 

Sören Benn +++ Leon +++ Schokolade +++ Jutta Lampe +++ Romy Schneider +++ Ferdinand von Schirach +++ Zauneidechsen +++ Glück +++ Stubenhocker +++ Home-Trainer +++ Schwarzenegger +++ Philipp Blom

„Moin! Drei Sachen: Haltet durch, haut euch nicht und seid dankbar und bedankt!“ So begann die Weihnachtsansprache eines Berliner Politikers. Nein, nicht Müller, Merkel oder Steinmeier. Die lassen sich ja lieber von hochbezahlten Ghostwritern ihr Geschwurbel formulieren, dass sie dann mit Wichtigtuer-Miene in unsere Stuben tröpfeln. 

Nein, so begann die Weihnachtsbotschaft von Sören Benn (Linke), Bezirks-bürgermeister von Pankow, an die Menschen in Prenzlauer Berg und Drumherum. Welch eine Wohltat. Als Helmut Kohls Silvesteransprache einmal im Fernsehen versehentlich wiederholt wurde, hatte es kaum ein Mensch gemerkt. Danke, Sören Benn, du hast die Großkopfeten ganz schön blass aussehen lassen. Aber das waren die ja auch schon vorher.

Nochmal Weihnachten. Ein Berliner Krankenhaus sammelte handgemalte Wunschzettel von krebskranken Kindern. Die meisten Kinder wünschten sich das Übliche. Einer nicht: Leon, 3 Jahre. Er wünschte sich „eine Polizeistation mit Gefängnis“. Die Berliner Polizei: „Natürlich ließ sich da was machen.“

Mein Bezirksamt Mitte hatte sich auch was Nettes zu Weihnachten ausgedacht. Alle Autofahrer, die korrekt parken, bekommen eine Tafel Schokolade unter den Scheibenwischer. Als Bartleby erwartungsvoll zu seinem Auto ging, hatte jemand schon längst seine Schokolade geklaut. Moabit eben. Der Bezirk hat aber noch einen Trost für ihn: „Radfahrende, die bei Rot halten und nicht auf dem Gehweg radeln, belohnen wir im nächsten Jahr.“ Da muss Bartleby seine alte Möhre doch noch einmal aus dem Keller holen. Verdammt, wo ist eigentlich die Luftpumpe?

Vielleicht kennt ihr das: eine Prominente stirbt und ihr überlegt, welche Rolle sie in eurem Leben gespielt und was sie für euch bedeutet hat. Wenn ihr einmal so alt seid wie Bartleby, wird sich das Monat für Monat für euch wiederholen. Im Dezember ist Jutta Lampe gestorben. Sie war etwa so alt wie ich. Viele von euch werden sie nicht kennen. Schade. Nicht nur für mich eine der herausragendsten Schauspielerinnen der Berliner Schaubühne. Ja, das wird mir jetzt keiner glauben, aber ich war ihr seit den 70er Jahren verfallen. Ich habe kein Stück versäumt, in dem sie mitgespielt hat, kein Stück. (Bartleby, wie war das möglich?) Sie hatte etwas,das Peter von Becker vom Tagesspiegel in seinem Nachruf so nannte: mädchenhafte Anmut, etwas Schwebendes und Grazie verbunden mit kühler Sanftmut. Wer von euch kann heute noch etwas mit dem Begriff „Grazie“ anfangen? 

Zum Foto: Im „Prinz von Homburg“ gibt es einen magischen Moment, in dem Nathalie (Jutta Lampe) dem zum Tode verurteilten Prinzen (Bruno Ganz) die Nachricht überbringt, dass er begnadigt würde, wenn er das wolle. Er lehnt das ab. Dazu Jutta Lampes Nathalie mit einem sonderbar beseelten Lächeln: „Du gefällst mir.“ Vielsagend betont auf der zweiten Silbe des Wortes.

„Das erinnert mich an Romy Schneider. Auch von ihr gab es einmal eine so diskret offene wie zugleich geheimnisvolle Zuneigungserklärung: als Schneider in einer TV-Talkshow plötzlich mit ihrem wie tagträumerischen Timbre zu dem Ex-Häftling und Autor Burkhard Driest fast das Gleiche sagte: „Sie gefallen mir.“ Nie sonst ist in einem eher trivialen Fernsehplauderstudio derart ein Engel durch den Raum gegangen.“ (Becker). 

Romy bin ich in meiner Jugend in Berchtesgaden begegnet, Jutta Lampe nach einer Aufführung in der Schaubühne (Drei Schwestern?). Es war beim Italiener neben dem Theater. Ich hatte den Tisch neben ihr ergattert. Nur Augen und Ohren für sie, dabei wurde mein teures Saltimbocca kalt. Ja, sie war wie eine zweite Romy Schneider für mich. (Bartleby, du kommst ja richtig ins Schwärmen. So kennen wir dich gar nicht. – Ach Leute, wer von euch kennt mich schon?) 

Ihr habt sicher eines der Stücke gesehen, die Ferdinand von Schirach für das Fernsehen geschrieben hat: „Feinde“, „Terror“, „Gott“. Zum Schluss kann sich jeder Zuschauer ein Urteil machen. Ein faszinierendes Format. Bartleby hätte eine Idee für das nächste Stück des Autors. Es geht um zwei Orte nicht weit weg von Berlin. Der eine ist ein altes Dorf in der Lausitz. Seine Bewohner sollen es nach mehr als hundert Jahren verlassen. Ein großes Energieunternehmen will genau dort noch kurz vor dem Kohleausstieg  nach Braunkohle baggern. Gerichte haben das durchgewinkt.

Der andere Ort ist Grünheide bei Berlin. Dort soll eine große Fabrik für E-Autos entstehen. Bei Tesla könnten 30 000 Arbeitsplätze entstehen. ABER: Genau an der Stelle sollen etwa 27 Zauneidechsen und ein paar Schlangen Winterschlaf halten. Ein Gericht hat deswegen den Bau gestoppt. 

Frage an das Publikum: Hatten die Bewohner der Dörfer im Braunkohlerevier nur das Pech, dass sie keine Zauneidechsen waren? Und hat Tesla Pech, dass es kein   Energieunternehmen ist, dass Dörfer wegbaggert? Keine leichte Entscheidung oder doch. Herr von Schirach, bitte übernehmen Sie.

 (Bartleby, was soll das? Alexa und wir hatten doch vereinbart: keine Politik. Also bitte!)  

Nur noch ein Wort zu Corona. Was soll ich sagen, das Glück als Kriegskind ist mir treu geblieben. Wäre die Pandemie ein paar Jahre früher ausgebrochen, hätte ich mich in der Charité als Krebskranker mit den Covid-Patienten um ein Bett auf der Intensivstation streiten müssen. Wäre die Situation wie heute schon vor einem Jahr so gewesen, hätte es nicht den stimmungsvollen runden Geburtstag von Elke auf dem Funkturm gegeben und auch nicht den runden Geburtstag von Tassilo auf seiner festlich hergerichteten Insel. Und den alten Bartleby hatte seine Family an seinem runden Geburtstag in eine angesagte Disco am Zoo entführt. Alles heute nicht mehr möglich. Glück gehabt, Bartleby, wie so oft in deinem Leben.

Und heute? Heute hat sich der Ü80 vor Corona in seiner Wohnung verschanzt mit den Bildern seiner Lieblingsmaler an den Wänden und den Büchern seiner Lieblings-autoren in den Regalen. Und eine kleine Bar gibt’s auch noch. So lässt sich die Luxus-Quarantäne für den Großmeister der Stubenhocker aushalten. (Schämst du dich nicht wenigstens ein bisschen dafür, Bartleby?) Einmal in der Woche schlurft der Extremrentner zu EDEKA und deckt sich mit dem Nötigsten ein. Erstaunlich, wie wenig er davon nach Hause tragen muss. Haben wir etwa wieder Krieg? Könnte sein.

Vor 100 Jahren sind die Menschen 17 km pro Tag gelaufen, liest Bartleby in seiner Zeitung. Und heute, in Zeiten von Corona? So wenig, dass ihr Gehirn einrostet. Bis vor einem Jahr hat Bartleby sich auf seinem Home-Trainer fit gehalten. Dann ging das Gerät kaputt. 20 Jahre mit Bartleby überlebt niemand. Er hat überlegt: Lohnen sich 1.000 Euro oder mehr noch für einen neuen Home-Trainer? Bartleby, wie ihr ihn kennt, er wollte lieber nicht. Aber er hatte die Rechnung ohne seinen Enkel gemacht. Du gehst jetzt auf Ebay Kleinanzeigen und suchst einen gebrauchten Home-Trainer. Und wie mache ich das? Pass auf, ich zeigs dir. Irre! Nach wenigen Minuten war ich der Besitzer eines tadellosen Home-Trainers für sage und schreibe 100 Euro. Wenn ihr im hohen Alter auch mal so ein Wunder erleben wollt, müsst ihr allerdings rechtzeitig für Kinder und Enkelkinder sorgen. Sonst sieht es böse aus. Die Zeit, die Bartleby damals auf Demos und mit Hausbesetzungen verbracht hat, verbringen die Kids heute vor dem PC. Und wie ihr seht, nicht nur an einer Playstation.

Bartleby hat immer die Typen bewundert, die sich in Fitness-Centern Muskeln antrainieren. Dabei hat ihn vor allem die Frage beschäftigt, warum man dafür Gewichte stemmen muss und nicht auch vom Lesen Muskeln bekommen kann. Bartleby als ein Schwarzenegger der anderen Art zwischen Bücherregalen und Zeitungsstapeln. Das wärs doch. Dann die bittere Erkenntnis: Wenn andere dumm sind, nützt es mir auch nicht, dass ich Bücher lese. 

Zum Schluss noch ein Tipp für alle von euch, die sich nicht mit der Lektüre der „Apotheken Rundschau“ begnügen. Bartleby hat gerade bei You tube auf seinem Lieblingssender SRF-Kultur ein Gespräch in der Reihe „Philosophie Sternstunde“ verfolgt. Gast war der Historiker und Philosoph Philipp Blom, Bartleby bis dato unbekannt. Aber dann: eine Stunde lang ein Gewitter brillanter Gedanken. Ihm zufolge befinden wir uns derzeit am Ende von 3000 Jahren Kulturgeschichte. Am Anfang stand das göttliche Gebot „Macht euch die Erde untertan!“ Damit ist es nun vorbei. Plankton und Ameisen, Bäume und Pilze sind für den Planeten in Zukunft wichtiger als Menschen. Starker Tobak? Aber macht euch selbst ein Bild. 

Alexa lässt grüßen. Sie ist gerade im home office. 

Depressive +++ Jana aus Kassel +++ Armin Laschet +++ Nürnberg +++ Leseholzschein +++ Lieblingsbuch +++ Gender Ultras +++ Berliner Taxis +++ Alexa

Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut, sagt Mutti Merkel. Sie meint, das feierwütige Partyvolk ist selbst schuld, wenn es auf der Intensivstation landet. Die jungen Leute können und wollen einfach nicht anders. Aber es gibt Menschen, die kommen besser durch die Pandemie. Hier, habe ich in der „Süddeutschen“ für euch gefunden: 

„Besser fahren Depressive. Sie bewerten ihre Infektionsgefahr als höher als die Nicht-Depressiven. Dieser sader-but-wiser-Effekt besagt, dass Traurige oftmals klüger sind und zu einer realistischeren Einschätzung der Realität kommen. Für den Kampf gegen die Pandemie ist das eine geradezu trübsinnige Pointe: Die seelische Verstimmung in Zeiten der Seuche könnte dabei helfen, sie besser zu überstehen.“

Ihr müsst euch um Bartleby also keine Sorgen machen. Und weil er höflich ist, lässt er euch auch beim Impfen den Vortritt. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. 

Es gibt ja Leute, die waren schon als Sperma ein Arschloch. Und es gibt Jana aus Kassel, die sich fühlt, als wäre sie eine wie Sophie Scholl. Das hat die Stadt nicht verdient. Im Krieg so schwer beschädigt wie keine andere Stadt. Ich habe dort Abitur gemacht und meinen Sohn in Berlin auf die Sophie-Scholl-Schule geschickt. Die war nicht um die Ecke. Es sollte ein Zeichen sein. Dafür musste ich erst einmal einen Zweitwohnsitz in Schöneberg anmelden. Ein Fake. (Danke, Carla). Viele Jahre später wollte das Finanzamt von mir eine „Zweitwohnsitzsteuer für meine Schöneberger Wohnung.“ Bartleby hat sich  zusammengerissen und der Finanzbeamtin einen für seine Verhältnisse geradezu rührenden Brief geschrieben. Ergebnis: sie verzichtete wegen der Sophie-Scholl-Schule auf die Steuer. Ich nehme an, sie war nicht aus Kassel. 

Pathos aus NRW. Der Hobbit Armin Laschet trompetet aus dem noblen Düsseldorf: „Es wird das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben.“

So einen Quatsch kann nur einer reden, der die Weihnachten um 1945 nicht in Luftschutzkellern und Ruinen erlebt hat. Na klar, hatten wir auch leuchtende Christbäume am Himmel, aber sie waren für die Flieger bestimmt, die mich in Grund und Boden bomben sollten. Sie haben es nicht geschafft.

Dann das erste Weihnachten nach der Flucht vor den Russen. Der kleine Bartleby erinnerte sich noch an sein letztes Berliner Weihnachten mit elektrischer Eisenbahn, Autos, Panzer, Zinnsoldaten und Bauernhof vom Opa. Und 1945? Für jedes Kind ein Teller mit einem Apfel, Nüssen und ein paar Keksen. Keine Ahnung, woher Mutter die hatte. Und dann sangen die Mütter und Tanten Weihnachtslieder. Das war wunderschön. Aber wo waren Vater und Onkel? Sie waren in Nürnberg im Gefängnis. Bestimmt hart für sie.

Hör zu, Laschet, der Winter 1946 war der kälteste seit Jahren. Viele Menschen starben. Auch der junge Bartleby fror jämmerlich. Bis ihn sein Onkel eines nachts mitnahm zum Güterbahnhof Berchtesgaden. Dort standen Waggons voll mit Kohle. Sein Onkel rauf und warf die Briketts runter, der kleine Bartleby sammelte sie auf und verstaute sie in einem großen Sack. Als die Bullen kamen, schnell ab über die Gleise. Zu Hause die Bude warm gemacht und Mutter spendierte eine leckere Suppe aus Brennnesseln und Löwenzahn mit einem Klecks Butter. Ein Gedicht.

Weihnachten ohne Baum? Kam nicht in Frage. Aber woher nehmen? Mutter hatte einen Leseholzschein. Ab damit in den Wald. Ob der auch für Tannenbäume gilt, die mein Onkel absägte, hat sich dem jungen Bartleby damals nicht erschlossen. Egal. „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter“. Der Junge sang mit aus voller Brust. So viel für heute aus der beliebten Reihe „Opa erzählt vom Krieg.“ 

Weihnachten heute stelle ich mir für MP Laschet so vor: Er bestellt jede Menge Krimskrams bei Amazon und die gestressten Paketboten schaffen es wegen Corona nicht, auch noch das letzte Päckchen vor der Bescherung bei ihm abzugeben. Schrecklich! Ist es vielleicht das, was er mit dem härtesten Weihnachten für die  Nachkriegsgenerationen gemeint hat? Das Kriegskind Bartleby hat einen guten Rat für Laschet: „Einfach mal die Fresse halten.“

Bartleby ist ja einer, der sich täglich auf den Kulturseiten unserer Medien herumtreibt. Diese Aufgabe fand er interessant: Wie würden Sie ihr Lieblingsbuch beschreiben, wenn Sie es auf die langweiligste Art und Weise tun müssten? Das ist schwierig, denn Bartleby hat mehr Lieblingsbücher als Freundinnen. Na gut, ich versuchs mal. Vielleicht reichen euch drei. 

  1. Ernest Hemingway: „Der alte Mann und das Meer“. Kuba. Ein alter Fischer fängt den größten Fisch seines Lebens. Dann träumt er von Baseball und schönen Frauen. Als er wieder in seinem Hafen ankommt, ist von seinem Fang nur noch das Skelett übrig. Gerade mal 113 Seiten für ganz, ganz alte Männer.
  1. Heinrich von Kleist: „Michael Kohlhaas“. Ein Mann will sein Recht. Um jeden Preis. Sein Preis dafür ist die Todesstrafe. Eine Geschichte ohne Witz und Sex. Wer will heutzutage sowas lesen?
  1. Karl May: „Winnetou“. Ein weißer Jäger und ein Indianer verknallen sich ineinander. Es kommt, wie es kommen musste: Der Indianer stirbt und der Weiße überlebt. Wer würde das Buch lesen, wenn es andersrum gewesen wäre?

Zurück zum Precht-Todenhöfer Gespräch vom letzten Mal. Bartleby hofft, ihr habt eure Hausaufgaben gemacht. Die Aufgabe heute wird die Gender-Ultras unter euch glücklich machen: „die Ameise“ – wie bezeichnet man korrekt eine männliche Ameise? Oder „das Mädchen“ – wie aber müsste es genderkorrekt heißen? Eure Lösungen im nächsten Newsletter.

Ein Tweet in seiner Zeitung, der Bartleby nachdenklich macht: „Bin kein Fan von Verschwörungstheorien, aber ich habe noch nie ein Taxi tanken gesehen.“ Das stimmt! Bartleby überlegt sich, ob er nicht ein Transparent bemalen sollte und mit dieser speziellen Theorie vor dem Reichstag demonstrieren sollte. Es muss doch herauszukriegen sein, auf welche Weise Bill Gates die Berliner Taxen betankt. Und warum nur Taxen? Bartleby hat auch ein Auto, Bill!

Aber trotz der Unterstützung von Bill Gates können die Berliner Taxifahrer den Hals nicht voll kriegen. Den beliebten Spätis ist es ja wegen Corona verboten, nach 23 Uhr geöffnet zu haben. Aber deswegen muss niemand trockenen Fußes wieder nach Hause gehen. Vor den Spätis stehen jetzt Taxen und verkaufen Bier und Schnaps aus dem Kofferraum. Rund um die Uhr. Zumindest in Kreuzberg, Neukölln und den üblichen verdächtigen Bezirken. Also, ihr wisst Bescheid, wenn euer Kühlschrank leer ist. 

Was ist denn eigentlich los mit Alexa

Die ist in Quarantäne.

Aber künstliche Intelligenz ist doch immun gegen Corona.

Ja, aber nicht ihre künstliche Dummheit.