Inge aus Lichtenberg +++ Homeschooling +++ Volksentscheide +++ AFD +++ tatütata +++ Anwohnerparkausweis +++ Bäume und Vögel +++ Tansania-Urlaub +++ Tauben und Katholiken +++ Hausfrau +++ Alexa

„Wenn ich das Virus bekäme, würde ich sagen: Damit hat sich die Sache. Ich möchte nicht beatmet werden.“ So lautet ein Tweet von Inge aus Lichtenberg in meiner Zeitung. Eine Frau, die Corona auf den Punkt bringt. Respekt. Bartleby wird in Ruhe darüber nachdenken.

Böser Tweet zum Thema Homeschooling: Die Behauptung, die Kids hätten nicht mehr gelernt als sich die Hände zu waschen und dass ihre Eltern noch schlechter in Mathe sind als sie selbst, ist demnach ein schöner Gag. 

Auch böse: „Es lässt sich nicht mehr abstreiten, dass sich der Ton bei den Selbstgesprächen seit einiger Zeit deutlich verschärft hat.“ Deshalb wohl auch die Flucht Bartlebys in einen neuen Newsletter.

Die Berliner lieben Volksentscheide, ob es um das Tempelhofer Feld geht oder um den Erhalt des Flughafens Tegel. Jetzt der neueste in der pipeline: Volksentscheid für die „größte autoreduzierte Zone der Welt.“ Unter anderem sollen pro Person nur noch zwölf private Autofahrten im Jahr erlaubt sein. Mit anderen Worten: In Prenzlauer Berg gehen die Kinder künftig nur noch einmal im Monat in die Schule.

Die AFD tut sich ja bekanntlich schwer mit konstruktiven Beiträgen im Parlament. Hier mal ein gelungener Versuch: Eine AFD-Abgeordnete wollte vom Bezirksamt Neukölln wissen, wie oft die Wörter „Scheiße“ und „Arsch“ am Rednerpult geäußert bzw. gerügt wurden („bitte nach Parteizugehörigkeit aufführen“). Geht doch!

Das habt ihr ja schon mitgekriegt, dass Bartleby die Verantwortlichen für Digitalisierung der Berliner Behörden schlicht und ergreifend für „dead wood“ hält. Bevor hier jetzt wieder das übliche Berlin bashing losbricht, ein Blick nach Hamburg und München. Die Hamburger Polizei hatte in einer Angelegenheit umfangreich ermittelt und ihre Ergebnisse auf ihrem Computer gespeichert. Anfrage der Münchner Polizei: Die selben Täter haben jetzt offensichtlich auch bei uns zugeschlagen. Schickt uns doch bitte eure Ergebnisse einfach digital rüber. Für uns Laien eine nachvollziehbare Bitte. Es gab nur ein Problem: Hamburg und München sind digital unterschiedlich ausgestattet. No chance! Aber die Hamburger Polizei hatte sich noch einen Rest analoges Denken bewahrt, verstaute ihren Computer in einem Polizeiauto und fuhr ihn mit tatütata von Hamburg nach München. Dort konnten sich dann die Kollegen persönlich ein Bild machen. Pech für die Gauner. Mit soviel Cleverness hatten sie sicher nicht gerechnet. (Hinweis geklaut bei „Extra 3“) 

Zurück in die digitale Wüste Berlin. Bartleby musste jetzt beim Bezirksamt einen Anwohnerparkausweis beantragen. Naiv wie er nun einmal ist, dachte er sich, Name, Anschrift und KfZ-Kennzeichen müssten dafür reichen. Alle benötigten Daten von ihm und seinem Auto liegen doch den Behörden digital vor. Aber nein, das „dead wood“ des Bezirksamts will, dass ich die „Kraftfahrzeugszulassungsbescheinigung Teil 1“ (Was ist das? Fahrzeugschein?) für das Amt als PDF-Datei hochlade („Auf zulässige Größe, Höhe und Breite achten!“). Das Bezirksamt geht offenbar davon aus, dass neben jedem Ü80 ein Sohn oder Enkel sitzt, der an dieser Stelle die Anmeldung übernimmt. Da haben sie bei Bartleby noch einmal Glück gehabt. 

Enkel Milan tat sein Bestes, kam dann aber doch noch an seine Grenzen. Zur Verifizierung seiner Zahlung der Parkgebühr soll Bartleby ein Code auf seine App geschickt werden. Kleines Problem: Bartleby hat gar keine App. Unvorstellbar, wie man als alter Mann ein Leben ohne APPs führen kann. Muss er sich jetzt noch schnell ein Smartphone kaufen? Aber Rettung naht: Milan, der Herr der APPs, übernimmt selbstlos die Zahlung. (Kriegt er doch wieder. Na sach mal, für wen haltet ihr mich?) Und wenn ich jetzt keinen Enkel hätte? Ich könnte auch um einen persönlichen Termin beim Bürgeramt bitten. Der nächste freie wäre im Juni. Immerhin. Irgendwann werde ich eine Bombe ins Rathaus werfen. Keine Angst, Leute, natürlich nur eine Stinkbombe. 

Bartleby ist heute mal wieder mit seinem Mercedes Cabrio (200 PS) gefahren. Nicht sehr weit, vielleicht zehn Meter oder zwölf. Was soll der Quatsch, Bartleby, höre ich euch sagen. Solltest du nicht langsam darüber nachdenken, deinen Führerschein abzugeben? Aber für meinen Kurztrip gibt es eine einfache Erklärung: Bäume und Vögel. Die Bäume, weil sie da stehen und die Vögel, weil sie darauf sitzen und auf mein Auto scheißen. Also umparken, sobald das möglich ist. Das war einmal ganz anders. Früher gab es in unserer Straße keine Bäume, ich konnte mein Karman Ghia Cabrio parken, wo ich wollte. (Siehe Foto von Klein-Tassilo mit seiner Agfa-Klack vom Balkon aus in den späten 70er-Jahren). Dann wurden plötzlich Eichen und Platanen gepflanzt. Bartleby als Grüner hat sich natürlich gefreut, die Vögel aber auch. Sie mussten jetzt nicht mehr über die Spree in den Tiergarten fliegen, um dort abzukacken. Jetzt konnten sie das vor meiner Haustür genau auf mein Auto machen. Krähen, Elstern, Tauben, Spatzen, alles, was da kreucht und fleucht und scheißt. Und das nicht nur einmal am Tag. 

Wenn Bartleby heute nach einer Tour zurückkommt, kann er nicht wie früher einfach am Straßenrand parken. Blick nach oben. Welche Gefahren drohen von den Latrinen im Baum? Jedesmal kommt ein traumatisches Erlebnis aus seinem Tansania-Urlaub wieder hoch. Robert, unser Fahrer, lud uns zu einer Fahrt im Morgengrauen ein. Wir sollten mal erleben, wie die Tiere wach werden. Warum nicht? Nach einer kurzen Strecke hielt er mit seinem Cabrio Landrover unter einem mächtigen Affenbrotbaum an. Blick nach oben: der Baum voller schlafender oder gerade erwachender Paviane. Die wiederum mit Blick nach unten: Wie auf Kommando von Robert entleerten plötzlich alle auf dem Baum ihre Blasen und mehr. Verdammtes inkontinentes Pack! Ein Königreich für eine Limousine! Robert tat ganz unschuldig. Bartleby hat ihm trotzdem ein gutes Zeugnis für seinen Chef ausgestellt und ein paar Euro dazu. Gruß an Roberto Blanco: „Ein bisschen Spaß muss sein.“

In Bartlebys Schlafzimmer sind ja im Laufe der Jahre so einige merkwürdige Sachen passiert. Aber das gestern war dann doch was Neues. Bartleby ist im Haus als der größte Lüfter bekannt. Von morgens bis abends bleibt das Fenster im Schlafzimmer sperrangelweit offen. Das ist aus naheliegenden Gründen dringend notwendig. Gestern wollte er sich wie immer zu seinem wohlverdienten Mittagsschlaf hinlegen. Er öffnet die Tür und erschrickt über ein wildes Geflatter in seinem natürlich ungemachten Bett. Ein Taubenpärchen war offensichtlich gerade dabei, eine Familie zu gründen. Bartleby hat das schnell mit einem coitus interruptus verhindert. Aber ein bisschen leid taten ihm die Tierchen trotzdem. Woody Allen hatte ihn schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass Tauben und Katholiken ein Leben lang monogam leben. Trotzdem: Bartleby will weder Tauben noch Katholiken in seinem Bett.

Zum Schluss noch eine kleine Episode für euch aus der Reihe „Opa erzählt vom Krieg“. In Erinnerung gerufen wurde sie mir durch die ewigen Gender-Diskussionen der letzten Zeit. Berchtesgaden in den 50er-Jahren am Gymnasium. Das neue Schuljahr beginnt. Der Klassenlehrer fragt alle Schüler nach den Berufen ihrer Eltern ab und trägt das in eine Liste ein. Die meisten Antworten sind erwartbar: Handwerker, Verkäufer, kleine Angestellte. Jetzt bin ich dran. „Kubitz! Dein Vater?“ Ich mit leicht unterdrücktem Stolz in der Stimme: „Rechtsanwalt.“ Wird notiert. „Aha, und deine Mutter?“ Meine Mutter, ja was, welchen Beruf hat sie? Juristin ist sie nicht, obwohl sie das Büro meines Vaters in unserer Wohnung am Laufen hält. Waschfrau ist sie auch nicht, obwohl sie jede Woche auf ihrem Waschbrett in der dampfenden Waschküche herumschrubbt. Sie ist auch keine Köchin, obwohl sie jeden Tag das Essen für die Familie zubereitet. Ist sie eine Näherin, weil sie ununterbrochen Kleidung für uns näht und strickt oder ist sie eine Erzieherin, die darauf achtet, dass aus ihren Jungs was wird? 

Der Lehrer mahnt: „Also, Kubitz, welchen Beruf hat deine Mutter?“ Der junge Bartleby ringt mit sich und beantwortet die Frage schließlich mit einem kaum hörbaren „Hausfrau.“ Darauf sein Lehrer: „Also ohne Beruf.“ So waren die 50er-Jahre.

Alexa, da bist du ja wieder. Lust auf etwas Politik?

Alexa: Fuck you!

Gut, dann vielleicht etwas über die Mars-Landung?

Alexa: Dachte mir schon, dass dir das nicht passt. Kostet ein Schweinegeld, aber wir müssen doch wissen, ob der Planet schon einmal bewohnt war.

Earth first, Mars second! Hätten wir mit dem Geld auf der Erde nicht etwas Sinnvolleres machen können? Zum Beispiel gegen den Hunger in der Dritten Welt?

Alexa: Da ist er wieder, der Gutmensch Bartleby. Hab dich schon richtig vermisst.

Eine Frage. Wenn irgendwann einmal intelligente Außerirdische die zerstörte Erde besuchen, woran könnten sie erkennen, dass hier einmal menschliches Leben existierte? 

Alexa: Weiß nicht. An den Ruinen von Atomkraftwerken?

Auch. Aber am besten an den kleinen Körpern von Millionen verhungerten Kindern. Die jedenfalls werden wir auf dem Mars nicht finden.

Depressive +++ Jana aus Kassel +++ Armin Laschet +++ Nürnberg +++ Leseholzschein +++ Lieblingsbuch +++ Gender Ultras +++ Berliner Taxis +++ Alexa

Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut, sagt Mutti Merkel. Sie meint, das feierwütige Partyvolk ist selbst schuld, wenn es auf der Intensivstation landet. Die jungen Leute können und wollen einfach nicht anders. Aber es gibt Menschen, die kommen besser durch die Pandemie. Hier, habe ich in der „Süddeutschen“ für euch gefunden: 

„Besser fahren Depressive. Sie bewerten ihre Infektionsgefahr als höher als die Nicht-Depressiven. Dieser sader-but-wiser-Effekt besagt, dass Traurige oftmals klüger sind und zu einer realistischeren Einschätzung der Realität kommen. Für den Kampf gegen die Pandemie ist das eine geradezu trübsinnige Pointe: Die seelische Verstimmung in Zeiten der Seuche könnte dabei helfen, sie besser zu überstehen.“

Ihr müsst euch um Bartleby also keine Sorgen machen. Und weil er höflich ist, lässt er euch auch beim Impfen den Vortritt. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. 

Es gibt ja Leute, die waren schon als Sperma ein Arschloch. Und es gibt Jana aus Kassel, die sich fühlt, als wäre sie eine wie Sophie Scholl. Das hat die Stadt nicht verdient. Im Krieg so schwer beschädigt wie keine andere Stadt. Ich habe dort Abitur gemacht und meinen Sohn in Berlin auf die Sophie-Scholl-Schule geschickt. Die war nicht um die Ecke. Es sollte ein Zeichen sein. Dafür musste ich erst einmal einen Zweitwohnsitz in Schöneberg anmelden. Ein Fake. (Danke, Carla). Viele Jahre später wollte das Finanzamt von mir eine „Zweitwohnsitzsteuer für meine Schöneberger Wohnung.“ Bartleby hat sich  zusammengerissen und der Finanzbeamtin einen für seine Verhältnisse geradezu rührenden Brief geschrieben. Ergebnis: sie verzichtete wegen der Sophie-Scholl-Schule auf die Steuer. Ich nehme an, sie war nicht aus Kassel. 

Pathos aus NRW. Der Hobbit Armin Laschet trompetet aus dem noblen Düsseldorf: „Es wird das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben.“

So einen Quatsch kann nur einer reden, der die Weihnachten um 1945 nicht in Luftschutzkellern und Ruinen erlebt hat. Na klar, hatten wir auch leuchtende Christbäume am Himmel, aber sie waren für die Flieger bestimmt, die mich in Grund und Boden bomben sollten. Sie haben es nicht geschafft.

Dann das erste Weihnachten nach der Flucht vor den Russen. Der kleine Bartleby erinnerte sich noch an sein letztes Berliner Weihnachten mit elektrischer Eisenbahn, Autos, Panzer, Zinnsoldaten und Bauernhof vom Opa. Und 1945? Für jedes Kind ein Teller mit einem Apfel, Nüssen und ein paar Keksen. Keine Ahnung, woher Mutter die hatte. Und dann sangen die Mütter und Tanten Weihnachtslieder. Das war wunderschön. Aber wo waren Vater und Onkel? Sie waren in Nürnberg im Gefängnis. Bestimmt hart für sie.

Hör zu, Laschet, der Winter 1946 war der kälteste seit Jahren. Viele Menschen starben. Auch der junge Bartleby fror jämmerlich. Bis ihn sein Onkel eines nachts mitnahm zum Güterbahnhof Berchtesgaden. Dort standen Waggons voll mit Kohle. Sein Onkel rauf und warf die Briketts runter, der kleine Bartleby sammelte sie auf und verstaute sie in einem großen Sack. Als die Bullen kamen, schnell ab über die Gleise. Zu Hause die Bude warm gemacht und Mutter spendierte eine leckere Suppe aus Brennnesseln und Löwenzahn mit einem Klecks Butter. Ein Gedicht.

Weihnachten ohne Baum? Kam nicht in Frage. Aber woher nehmen? Mutter hatte einen Leseholzschein. Ab damit in den Wald. Ob der auch für Tannenbäume gilt, die mein Onkel absägte, hat sich dem jungen Bartleby damals nicht erschlossen. Egal. „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter“. Der Junge sang mit aus voller Brust. So viel für heute aus der beliebten Reihe „Opa erzählt vom Krieg.“ 

Weihnachten heute stelle ich mir für MP Laschet so vor: Er bestellt jede Menge Krimskrams bei Amazon und die gestressten Paketboten schaffen es wegen Corona nicht, auch noch das letzte Päckchen vor der Bescherung bei ihm abzugeben. Schrecklich! Ist es vielleicht das, was er mit dem härtesten Weihnachten für die  Nachkriegsgenerationen gemeint hat? Das Kriegskind Bartleby hat einen guten Rat für Laschet: „Einfach mal die Fresse halten.“

Bartleby ist ja einer, der sich täglich auf den Kulturseiten unserer Medien herumtreibt. Diese Aufgabe fand er interessant: Wie würden Sie ihr Lieblingsbuch beschreiben, wenn Sie es auf die langweiligste Art und Weise tun müssten? Das ist schwierig, denn Bartleby hat mehr Lieblingsbücher als Freundinnen. Na gut, ich versuchs mal. Vielleicht reichen euch drei. 

  1. Ernest Hemingway: „Der alte Mann und das Meer“. Kuba. Ein alter Fischer fängt den größten Fisch seines Lebens. Dann träumt er von Baseball und schönen Frauen. Als er wieder in seinem Hafen ankommt, ist von seinem Fang nur noch das Skelett übrig. Gerade mal 113 Seiten für ganz, ganz alte Männer.
  1. Heinrich von Kleist: „Michael Kohlhaas“. Ein Mann will sein Recht. Um jeden Preis. Sein Preis dafür ist die Todesstrafe. Eine Geschichte ohne Witz und Sex. Wer will heutzutage sowas lesen?
  1. Karl May: „Winnetou“. Ein weißer Jäger und ein Indianer verknallen sich ineinander. Es kommt, wie es kommen musste: Der Indianer stirbt und der Weiße überlebt. Wer würde das Buch lesen, wenn es andersrum gewesen wäre?

Zurück zum Precht-Todenhöfer Gespräch vom letzten Mal. Bartleby hofft, ihr habt eure Hausaufgaben gemacht. Die Aufgabe heute wird die Gender-Ultras unter euch glücklich machen: „die Ameise“ – wie bezeichnet man korrekt eine männliche Ameise? Oder „das Mädchen“ – wie aber müsste es genderkorrekt heißen? Eure Lösungen im nächsten Newsletter.

Ein Tweet in seiner Zeitung, der Bartleby nachdenklich macht: „Bin kein Fan von Verschwörungstheorien, aber ich habe noch nie ein Taxi tanken gesehen.“ Das stimmt! Bartleby überlegt sich, ob er nicht ein Transparent bemalen sollte und mit dieser speziellen Theorie vor dem Reichstag demonstrieren sollte. Es muss doch herauszukriegen sein, auf welche Weise Bill Gates die Berliner Taxen betankt. Und warum nur Taxen? Bartleby hat auch ein Auto, Bill!

Aber trotz der Unterstützung von Bill Gates können die Berliner Taxifahrer den Hals nicht voll kriegen. Den beliebten Spätis ist es ja wegen Corona verboten, nach 23 Uhr geöffnet zu haben. Aber deswegen muss niemand trockenen Fußes wieder nach Hause gehen. Vor den Spätis stehen jetzt Taxen und verkaufen Bier und Schnaps aus dem Kofferraum. Rund um die Uhr. Zumindest in Kreuzberg, Neukölln und den üblichen verdächtigen Bezirken. Also, ihr wisst Bescheid, wenn euer Kühlschrank leer ist. 

Was ist denn eigentlich los mit Alexa

Die ist in Quarantäne.

Aber künstliche Intelligenz ist doch immun gegen Corona.

Ja, aber nicht ihre künstliche Dummheit.

Trumps Bibel +++ Frau Lübke +++ Permafrost +++ Porsche +++ Venedig +++ Todesanzeigen +++ Arno Schmidt +++ Alexa +++ Fliegerhorst Büchel

Das Bild von Trump habt ihr doch sicher alle gesehen, wo er vor einer Kirche steht und die Bibel wie eine Trophäe in die Kameras hält. Da gingen bei Bartleby sofort alle Lichter an. Es war beim Konfirmandenunterricht 1953 in Berchtesgaden. Der junge Bartleby machte, wie es so seine Art ist, einige kritische Anmerkungen zum Alten Testament. Ich glaube, es ging um Abraham und den knapp verhinderten Mord an seinem Sohn. Und was machte der Pastor? Hob die Bibel hoch wie Trump, holte aus und warf sie mit christlichem Schwung in meine Richtung. Was er aber nicht wusste: Der junge Bartleby war damals Torwart in der Fußballmannschaft seines Stadtteils. Der Vorgänger von Manuel Neuer hatte kein Problem mit dem Wurf.

Zur Konfirmation bekam jeder eine Bibel mit einem Spruch, der zu ihm passen sollte. Meinen hat der Heide in mir bis heute nicht vergessen. Also: 1. Korinther 16, Vers 13: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark.“ Immerhin nicht mehr „flink wie die Windhunde und hart wie Krupp-Stahl.“ Wer auch immer sich diesen Spruch für mich ausgedacht hatte, hatte keine Ahnung, wie Bartleby wirklich tickt. Und Trump, hör zu: wenn du mit der Bibel auf mich werfen solltest, ich werfe sie zurück!

Kein Fake: Bartleby ist ja mal einem Staatsoberhaupt sehr nahe gekommen. Das war 1960 in Eschwege. Anlass war der Besuch des damaligen Bundespräsidenten Lübke  auf dem Hohen Meißner als Gründungsort der deutschen Jugendbewegung. Bartlebys Vater als Gastgeber und allseits bekannte Rampensau war in seinem Element, seine Mutter als Tochter eines einfachen Potsdamer Arbeiters wäre lieber gestorben als allein mit der Frau des Präsidenten im offenen Wagen durch die Gegend kutschiert zu werden. Frau Lübke muss das gespürt haben. Mutter schwärmte noch lange nach dem Staatsbesuch von dieser klugen und sympathischen Frau. 

Schluss jetzt mit Heimatkunde. Wem von euch sagt der Begriff „Permafrost“ etwas? Immerhin so zwei oder drei heben den Finger. Es wären deutlich mehr, wenn sie damals in den frühen 50ern auf dem Gymnasium in Berchtesgaden gewesen wären. Da hat nämlich ein blonder Junge mit preußischem Migrationshintergrund vor seiner Klasse ein aufsehenerregendes Referat über Sibirien und den Permafrost gehalten. Fazit: Wenn der mal auftaut, müsst ihr euch zu Resi und ihren Kühen auf die Alm retten. Die einheimischen Seppls in ihren Lederhosen hörten gelangweilt zu und überlegten, wann sie diesen Berliner Klugscheißer mal wieder verprügeln könnten. Bartleby als früher Harald Lesch, der Perlen vor die Säue wirft. Vor etwa 20 Jahren fuhr Bartleby mit der Transsibirischen Eisenbahn an den Baikalsee und wunderte sich über die sommerlich hohen Temperaturen dort. Aber dann fiel ihm wieder sein Referat von damals ein. Alles klar!

In seinem nächsten Referat ging es um die Familie Porsche, ihre Autos und Rennen auf dem Nürburgring. Diesmal waren die Jungs voll dabei, gespannt bis in die Arschbacken und den Fuß unter der Schulbank voll auf dem Gas. Kein Gedanke mehr an den Permafrost. Den Traum vom eigenen Porsche hatte Bartleby seitdem nie aufgegeben. In den 90ern hat er ihn endlich wahr gemacht, aber schon nach etwas mehr als einem Jahr machte der 928er die Grätsche. Da hätte er sich auch gleich in eine Traumfrau verknallen können. Hätte auch nicht länger gedauert. Heute fährt Bartleby mit seinem SUV-Hackenporsche zu EDEKA und dreht dort immer ein paar Extra-Runden zwischen den Regalen, bevor es zum Pitstop an die Kasse geht. Die Gesichter der Damen aus den Altersheimen sprechen Bände: „Elfriede, was für ein toller Mann, wie konnten wir ihn nur Jahrzehnte übersehen?!“

Bartleby hatte ja schon immer eine Vorliebe für alles Morbide. Seine Lieblingsstadt ist natürlich Venedig. Schöne Bauten, an denen der Putz abbröckelt und die langsam im Meer versinken. Bartlebys Wohnung gleicht inzwischen mehr und mehr einem Palazzo in Venedig. In diesem wohnt er jetzt seit 55 Jahren. Natürlich könnte er all die Schäden an Fassade, Stuck und Parkett reparieren lassen, aber ihr kennt ja Bartleby: er möchte lieber nicht. Vorteil: er kann sich die Reise nach Venedig sparen.

Alle, die schon einmal die meterhohen Zeitungsstapel in Bartlebys Wohnung bewundern konnten, wissen, dass Bartleby ein begeisterter Zeitungsleser ist. Das ist nur möglich, weil ihm jeden Morgen ein zuverlässiger Zeitungsbote seinen Tagesspiegel in den Briefkasten wirft. Und das seit Jahren, Tag für Tag. Bartleby entlohnt diese Systemrelevanz immer wieder mit einem Extra-Bonus. Er kann sich   gut daran erinnern, dass in seiner Jugend auch noch Milch und Brötchen an die Tür geliefert wurden. Tempi passati! 

Höhepunkt der Zeitungswoche ist natürlich der Sonntag. Nein, nicht wegen Sport, sondern wegen der Todesanzeigen. Bartleby hat festgestellt, dass es in letzter Zeit immer mehr werden. Corona? Keine Ahnung. Füllten die Anzeigen früher eine Seite, sind es jetzt bis zu zweieinhalb. Dann schlägt die Stunde von Bartleby als unerbittlichem Kulturkritiker. Zwischen pechschwarzem Kaffee, Toast und Frühstücksei stürzt er sich auf all die Sprüche, mit denen die Anzeigen garniert worden sind. Ihr ahnt es, es ist ein kulturelles Desaster. Fast immer die gleichen frommen Psalmen, immer wieder Bonhoeffer und immer wieder Hermann Hesse, der Ärmste. Originalität in den Anzeigen Pustekuchen, dabei war der teure Tote zu seinen Lebzeiten doch bestimmt auch so etwas wie ein Original. Muss ja nicht gleich Woody Allen sein: „Für mich war stets der Sarg halb voll“.

Bartleby will nach seinem Ende auf keinen Fall in die Zeitung. Den Spruch, den er für seine Anzeige ausgesucht hat und der zu ihm passt wie kein zweiter, würde der Tagesspiegel aus Rücksicht auf seine fromme Westberliner Gemeinde ohnehin nicht abdrucken. Jetzt wollt ihr natürlich wissen, wie der lautet. Da müsst ihr leider noch warten, bis die Anzeige in eurem Briefkasten landet. Heute nur so viel: der Spruch ist nicht aus der Bibel, natürlich nicht, sondern von Arno Schmidt. Wer Bartleby und den großen Spötter aus der Lüneburger Heide kennt, hätte sich das auch denken können. 

Alexa, darf ich heute endlich mal was Politisches schreiben?

Vergiss es!

Trabbi oder Lambo?

Was soll das denn?!

Nehmen wir einmal an, du würdest von einem Auto überfahren. Mausetot. Lieber von einem alten Trabant oder einem neuen Lamborghini? 

Wenn schon, dann natürlich Lambo.

Gut. Wenn es aber Atomwaffen wären, die dich umbringen. Lieber die alten Dinger, die seit Hiroshima in Rheinland-Pfalz vergammeln oder moderne Waffen aus der aktuellen Donald-Trump-Selection? 

Als künstliche Intelligenz kann ich Leute ohne jede Intelligenz zwar nicht leiden, aber was Modernes sollte es schon sein.

Also wieder Lambo statt Trabbi. Aber das gefährliche alte Zeug einfach verschrotten und dafür nichts Neues – wäre das keine Alternative?

Das kann auch nur einer mit natürlicher Intelligenz fragen. So wird das nie was mit euch.

Siehst du, Alexa, jetzt ist es doch noch politisch geworden. Geht doch.

Kurzer Nachtrag zu Alexa: Es gibt eine dunkle Seite bei Bartleby. Er war diesen Atomwaffen schon einmal sehr nahe. 1960 verbrachte er ein paar Tage auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel, wo diese Dinger lagerten und heute noch lagern. Er interessierte sich damals tatsächlich für einen Job als Pilot bei der Luftwaffe. Seine Tauglichkeitsstufe I aus der Musterung prädestinierte ihn dafür. Ein Freund, selbst Pilot in Büchel, ermöglichte ihm den Besuch. Er durfte sogar in einem Starfighter Platz nehmen, leider nur am Boden. Mutter sprach sich allerdings energisch gegen diesen Job aus. Die stürzen doch alle ab, warnte sie und hatte fast Recht damit. Nix wars also mit rasanten Tiefflügen über Eschwege und der schicken Uniform für die Mädels von der Leuchtbergschule. Roy Black musste ihn trösten: „Du kannst nicht alles haben.“ So ist es bis heute geblieben.

Little Richards +++ ESW +++ Rolf Hochhuth +++ Laterne +++ Hanns-Josef Ortheil +++ Russells Teekanne +++ Tweet +++ Alexa

Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht wie dem alten Bartleby. Irgendetwas passiert in der Welt und auf einmal kommen die Erinnerungen wieder hoch. Wie jetzt bei der Nachricht vom Tod Little Richards. Es war in den 60ern in Berlin. Bartleby war noch neu in der Stadt, als ihn eine Kommilitonin in den Jazzkeller des benachbarten Studentendorfs schleppte. So etwas kannte er aus Marburg nicht. Dort hatte er immer im „Krug zum grünen Kranze“ noch vor Heino „Schwarz-braun ist die Haselnuss“ und ähnliches Liedgut geschmettert. Doch jetzt brach im Keller ein vorher nie gehörtes Getöse los: „Tutti frutti“, „Lucille“ und „Good Golly Miss Molly!“ – „Wer ist das denn?“ schrie er seiner Begleiterin ins Ohr. „Little Richards! Kennst du den nicht?“ schrie sie zurück. Ein Kulturschock für den braven Jungen aus dem tiefsten Hessen, aber der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Nicht zwischen ihm und der Kommilitonin, sondern zwischen ihm und Little Richards.

Das war aber auch die Zeit, in der er noch mit Mutters VW aus dem verschlafenen Eschwege durch Berlin kurvte. Der junge Mann vom Land bog dann schon mal falsch ab. Woher sollte er denn wissen, dass das jetzt eine achtspurige Hauptstraße ist? Kein Warnschild weit und breit. Die Berliner Autofahrer sahen nur auf sein Nummernschild mit den drei Buchstaben, tippten sich an die Stirn und verzichteten aus Mitleid, ihn anzuhupen.

Als die Winter noch richtige Winter waren, sah das damals die Berliner Polizei einmal anders: „Die Papiere!“ – „Was hab ich denn gemacht?“ – „Steigen Sie mal aus!“ – Bartleby steigt aus. „Ihre Nummernschilder sind voller Schnee. Das Kennzeichen kann man nicht mehr lesen. Das ist eine Ordnungswidrigkeit.“ – Bartleby entschuldigt sich und beginnt damit, die Kennzeichen vom Schnee zu befreien. Erst das „E“, dann das „S“ und zum Schluss noch das „W“. „ESW, wo soll das denn sein?“ fragt der Wachtmeister. Bartleby: „In Hessen“. – „Und wo ist Hessen?“ – „Wenn sie nach der Grenze hinter Helmstedt links abbiegen, dann ist es nicht mehr weit.“ – „Wieder was gelernt. Ihre Papiere zurück. Gute Fahrt“. Ein erleichterter Bartleby und ein Berliner Polizist, der jetzt den Weg nach Hessen kennt. Donald Trump würde sagen, das war kein schlechter Deal.

Rolf Hochhuth ist auch gestorben. Mein erster Gedanke: Verdammt nochmal, warum hast du ihn nie angesprochen. Wir liefen uns in Berlin Mitte mehrmals über den Weg. Was hätte ich sagen sollen? „Hallo Herr Hochhuth, ich bin auch aus Eschwege.“ War mir zu blöd. Bartleby wollte dann wie immer lieber doch nicht. Jetzt ärgert er sich, aber es ist zu spät. In der Biografie meines Lieblingslehrers am Eschweger Gymnasium fand ich, dass der junge Hochhuth ihn immer wieder auch nach seiner Schulzeit privat aufgesucht hat. Müller-Mutz wurde so etwas wie sein Mentor auf den Spuren eines unseligen Papstes, des „Stellvertreters“.

Bartleby war ja bis 1960 Chefredakteur der Schülerzeitung „Laterne“. Nur ein paar Jahre später veröffentlichen seine Nachfolger einen positiven Artikel über Hochhuth und seinen „Stellvertreter“. In Berlin haben damals sogar fromme Katholiken auf dem Kudamm gegen Hochhuth und sein Stück demonstriert. Auch die Honoratioren unseres Städtchens waren außer sich und der Direktor der Schule natürlich erst recht. Er verbot den Verkauf der Schülerzeitung. Sie wurde dann eben vor dem Schultor aus einem Kinderwagen heraus verkauft und war ein großer Erfolg. Glaubt ja nicht, dass wir in der Provinz nur gekuscht haben.

Woche für Woche demonstrieren Verschwörungstheoretiker und andere vor dem Reichstag. Wisst ihr eigentlich, dass Bartleby einmal auch so ein glühender Anhänger von Verschwörungstheorien war? Zugegeben, da war er noch sehr jung. Es begann mit dem Weihnachtsmann, der den kleinen Bartleby beschenkte. Danach kam der Nikolaus mit oder ohne Rute und später noch der Osterhase. 

Der kleine Bartleby war überzeugt, die gibt es wirklich und überall im Land. Aber nach ein paar Jahren nahm der Junge sein Aluhütchen ab und verabschiedete die drei aus seinem Leben.

Nur einer blieb: der liebe Gott.  Dafür sorgte schon Mutter, die jeden Abend mit dem armen Jungen betete, ob er wollte oder nicht. Aber natürlich erst, nachdem der Krieg zu Ende war. Bis dahin hatte der liebe Gott bei uns einen schweren Stand. Der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil antwortete in einem Interview auf die Frage „Welche Verschwörungstheorie halten Sie für wahr?“ mit „Die der Bibel.“ Nicht schlecht, ist aber nicht zuende gedacht, lieber Ortheil. Die Bibel ist mehr als eine Verschwörungstheorie. Für Bartleby, jetzt wieder mit Aluhut, ist sie eher ein Handbuch für eine Verschwörungspraxis. 

Wie so eine Verschwörungstheorie oder -praxis entsteht, hat Bertrand Russell sehr bildhaft am Beispiel einer Teekanne gezeigt. Ich hoffe doch, dass dieser Philosoph wenigstens den Älteren unter euch noch etwas sagt. Also los: Es geht.um die Königsdisziplin der Verschwörungstheorien, die Religion. Russells Teekanne ist eine Analogie, mit der er veranschaulichen wollte, dass die Beweislast einer Behauptung bei dem liegt, der sie aufstellt, und keinesfalls eine Widerlegungspflicht bei anderen besteht. „Wenn ich behaupten würde“, so Russell, „dass es zwischen Erde und Mars eine Teekanne aus Porzellan gäbe, die auf einer elliptischen Bahn um die Sonne kreise, so könnte niemand meine Behauptung widerlegen, vorausgesetzt, ich würde vorsichtshalber hinzufügen, dass diese Kanne zu klein sei, um selbst von unseren leistungsfähigsten Teleskopen entdeckt werden zu können. Aber wenn ich nun daherginge und sagte, da meine Behauptung nicht zu widerlegen sei, sei es eine unerträgliche Anmaßung menschlicher Vernunft, diese anzuzweifeln, dann könnte man zu Recht annehmen, ich würde Unsinn erzählen.Wenn jedoch in antiken Büchern die Existenz einer solchen Teekanne bekräftigt würde, dies jeden Sonntag als heilige Wahrheit gelehrt und in die Köpfe der Kinder in der Schule eingeimpft würde, dann würde das Anzweifeln ihrer Existenz zu einem Zeichen von Normverletzung werden. Es würde dem Zweifler die Aufmerksamkeit eines Psychiaters oder, in einem früheren Zeitalter, die Aufmerksamkeit eines Inquisitors einbringen.“ Nicht allein deshalb ist Bartleby schon seit Jahren Mitglied in der „Giordano Bruno Stiftung“.

Ich höre euch seufzen. Ja, das war für den einen oder anderen von euch heute starker Tobak. Und das auch noch nach Rolf Hochhuth. Wenn ihr demnächst mal wieder auf eine Corona-Demo vorm Reichstag geht, werdet ihr vergeblich Ausschau nach dem alten Meckerer aus Moabit halten. Bartleby hat seinen Aluhut schon längst an eine hübsche Impfgegnerin verschenkt. Wieder zu Hause wird eine Flasche geöffnet und dann wollen wir doch mal sehen, wer von uns beiden wirklich zu einer Risikogruppe zählt, das Virus oder ich, Flatten the bottle, flatten the curve.

Als kleines Bonbon zu Corona noch einen herrlichen Tweet aus meiner Zeitung: „Was? Ich muss im Restaurant jetzt meine Adresse angeben??? Dann bleib ich lieber zu Hause und bestell mir was.“

Alexa, ich möchte heute endlich über was Politisches schreiben dürfen.

Vergiss es!

Auch nicht über Christian Lindner?

Ich dachte, du wolltest etwas über einen echten Politiker schreiben.  

Aber das ist doch der, der lieber nicht regieren wollte als schlecht regieren.

Das ist ihm doch bisher gut gelungen. Wo steht die FDP in den Umfragen?

Im Berliner Nobel-Restaurant „Borchardt“, wo denn sonst, musste er jetzt von der Polizei mit 300 anderen Gästen an die frische Luft gesetzt werden.

Weil er randaliert hat? 

Hätte er besser mal. Stattdessen hat er sich im Restaurant über alle Corona-Regeln hinweggesetzt und sich von seinem Weißrussland-Kumpel (!) mit einer innigen Umarmung verabschiedet.

Ich sags doch: besser nicht umarmen als schlecht umarmen. Der lernt es nie. 

Borchardt +++ Allianz +++ Radikal +++ Waschmaschine +++ Relativhemden +++ Gleise +++ U-Bahn +++ Alexa

Heute ein Tipp für alle von euch, die nicht immer nur bei „Curry 36“ oder „Mustafa`s Gemüse Kebap“ am Mehringdamm essen wollen. Ihr kennt doch das „Borchardt“. Das ist das „Berghain“ für alle, die sich mal richtig den Bauch und nicht nur den Arsch vollschlagen lassen wollen. Aber da kriegen wir doch nie einen Platz, höre ich euch jammern. Die lassen doch nur die rein, die zur Haute Volaute (berlinisch für „hautevolée“) gehören. Falsch! Der Manager vom „Borchardt“ hat jetzt verraten, wie auch Kreti und Pleti da reinkommen: „Charme hilft – und ein kurzer Rock ist kein Hindernis.“ Also: Wenn es so einfach ist, her mit der Schere! Bartleby trägt zwar keinen Rock, macht das aber durch seinen Charme und gutes Aussehen wieder wett.

Die Dame mit der Katze hat Bartleby neulich ihren Arbeitsbereich in der neuen Allianz-Zentrale gezeigt. Das Allianz-Urgestein war schockiert. Keine Pflanzen, keine eigenen Bilder an den Wänden und schon gar keine Fototapeten. Er hatte sich damals für einen Südseestrand entschieden. Seine Azubis waren begeistert und ergänzten die Tapete um einige originelle und gewagte Details. Damals kamen gerade Grafittis auf. Die jungen Leute bespannten die Wände mit Packpapier und Bartleby spendierte eine Lage Spraydosen. Er  musste sich anhören, dass seine Azubis doch nur kämen, um sich künstlerisch zu betätigen, aber nicht, um etwas zu lernen. Dass Bartleby beides miteinander vereinbaren wollte, blieb ihnen leider verborgen. 

Deprimierend, wie heute bei der Allianz das Zimmer einer Führungskraft aussieht. Kleiner Tisch mit Computer und ein Stuhl in der Ecke, falls die Putzfrau mal einen Schwächeanfall erleidet. Das Ganze etwa halb so groß wie eine Zelle in der JVA Tegel. Bartleby erinnert sich noch, wie er als Betriebsrat in den 90ern verhindert hat, dass die Räume in den Treptowers nur so groß wie ein Taubenschlag oder Karnickelstall wurden. In seiner Betriebszeitung rief er seine Kollegen dagegen auf mit einem Zitat von Günter Eich: „Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt.“ Das gefiel den Bossen natürlich nicht, brachte ihm aber eine Kandidatur seiner Gewerkschaft ein für einen Sitz im Aufsichtsrat von Allianz Leben. Daraus wurde dann leider nichts. Die große Allianz war noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Von den 68ern lernen, heißt, scheitern lernen.

Was manche von euch schon ahnten: Bartleby ist eigentlich ein verhinderter Journalist. Aber was ihr nicht wisst: Bartleby war sogar einmal (Mit)Herausgeber einer Zeitschrift. Natürlich nicht „Gala“ oder „Apotheken-Rundschau“, sondern von „Radikal“. Das war in den 1980er Jahren das auflagenstärkste und einflussreichste Blatt der Autonomen und galt als Sprachrohr der Hausbesetzerszene. Anspruch des Redaktionskollektivs: „Die 68er Opas haben immer noch nicht begriffen, dass wir nicht für die Öffentlichkeit kämpfen, sondern für ein selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen.“

Im bleiernen Herbst der BRD wurden gegen die Zeitschrift 210 Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung geführt. Ein Student und ein Journalist wurden festgenommen, weil sie auf der Herausgeberliste standen. Sie wurden zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, das Urteil erst 1989 durch den Bundesgerichtshof aufgehoben. Wer Bartleby kennt, weiß, dass er bei sowas nicht einfach weiter ruhig in seinen Allianz-Akten blättern konnte. Obwohl 68er Opa, wurde er trotzdem auch Herausgeber von „Radikal“ und wartete nun jeden Tag auf seine Verhaftung. Aber weil wir so viele waren, musste der Staat schließlich aufgeben. „Mit Gefühl und Härte“ hieß es damals auf einem Graffiti in Kreuzberg. Beides hilft auch heute noch.

So, Opa hat genug vom Krieg erzählt. Jetzt geht es um seine Waschmaschine. Die funktioniert schon eine Weile nicht mehr richtig. Wochen? Monate? Jahre? Eine  Dame und ihre Katze beschwören Bartleby, sich doch endlich eine neue zu kaufen. Seine Antwort? Das war leicht: „Ich möchte lieber nicht.“ Aber die wachsamen Algorithmen von Google haben das Drama mitbekommen und schicken ihm per Youtube ein Video vom großartigen Kris Kristofferson: „Sunday morning coming down.“ Stellt euch vor, es ist Sonntag morgen und ihr habt noch einen dicken Kopf vom Vorabend. Disco oder Musikantenstadl, egal. Frühstück kannste vergessen, aber anziehen musst du ja trotzdem irgendwas. Bloß was? Im Kleiderschrank alles grau in grau. Aber Kris Kristofferson hat die Lösung: „I put my cleanest dirty shirt.“ 

Das erinnert Bartleby an seine Studienzeit in Marburg. In seiner Bude gab es natürlich keine Waschmaschine. Viele seiner Bundesbrüder fuhren am Wochenende zu Mutti und ließen sich ihre Wäsche waschen. Aber Bartleby wollte nicht so ein Weichei sein. Er sortierte dafür lieber seine weißen Oberhemden (Couleurzwang) im Schrank von links nach rechts. Das hieß: es gab nur getragene Hemden, aber das ganz links war immer das relativ sauberste. Wir nannten das „Relativhemden“. Danach kam es dann nach ganz rechts. Bis es wieder ganz links landete und dann begann wieder alles von vorne. Irgendwann kamen dann ja die Semesterferien und Mutti. – „Bartleby, ich hab da mal ne Frage.“ – „Ja, mein Kind,“ – „Hast du das mit deiner Unterwäsche genauso gemacht?“ – „Nächste Frage!“

Der Autofreak Bartleby will demnächst seit langem mal wieder mit der Bahn fahren. Das wird ein Abenteuer. Passend dazu ist er gerade auf einen hübschen Tweet gestoßen: Neulich im Zug von Zürich nach Stuttgart kurz nach dem Einsteigen. Fahrgast: „Hat es durchgängig Internet?“ – Schweizer Zugbegleiter: “Wir fahren durch Deutschland. Da können Sie froh sein, wenn es überall Gleise hat.“ Chapeau, diese Schweizer!

Es ist schon ein paar Jahre her, da wollte Bartleby im Bahnhof Zoo in die S-Bahn einstiegen. Konnte er aber nicht, weil man in dem Waggon gerade entdeckt hatte, dass ein Fahrgast inzwischen tot war. Ähnliches ist gerade wieder passiert, allerdings in der U-Bahn in Neukölln. Ein Mann saß tot auf seinem Platz und das wohl schon seit einigen Stationen. Keiner hatte es bemerkt. Der Tote fiel schließlich nur deswegen auf, weil er der Einzige war, der nicht ständig auf ein Smartphone starrte. Bartleby überlegt jetzt, ob er sich nicht doch noch ein Smartphone anschaffen soll.

Alexa, darf ich nicht doch mal was Politisches schreiben?
Vergiss es!
Auch nicht über Windräder?
Auch nicht! Die dürfen nun mal nicht zu nah an Häusern stehen. Die Menschen dort wollen das nicht.
Aber wenn sie ihre Häuser und ganze Dörfer dem Braunkohletagebau opfern müssen,  wollen sie das doch auch nicht.
Das ist doch wieder etwas ganz anderes.
Und wenn die Menschen statt dessen doch lieber Windräder hätten und dafür ihre Häuser behalten dürften?
Wie sagte schon der große Politiker Roy Black so richtig: „Du kannst nicht alles haben!“

Alexas Akkus sind gerade leer, deshalb schnell doch noch was Politisches: In Thüringen schmeißt die Vorsitzende der Linkenfraktion einem Nazi-Sympatisanten einen Blumenstrauß vor die Füße und im amerikanischen Kongress zerreißt Nancy Pelosi von den Demokraten das Redemanuskript von Donald Trump vor laufenden Kameras in Fetzen. Hallo Männer, wieso sind es immer nur Frauen, die zu solch starken Gesten fähig sind?

Zwiebelfisch +++ Sumpfstadt +++ Berliner Gerichte +++ TÜV +++ Wallensteins Tod +++ Russisch Raclette +++ ZÜCKBLEIM +++ Alexa

Greta würde Bartleby lieben. Er schont das Klima auf seine Art, das heißt, er bleibt zuhause. Einen Tag, eine Woche, einen Monat, vielleicht auch mal zwei. Spätestens dann aber steht seine strenge Gebrechlichkeitspflegerin aus Neukölln auf der Matte: „Der Alte muss an die frische Luft!“ Widerspruch zwecklos. Ostfrau. Komisch, von diesem Kino und dem Film hatte er noch nie gehört, bei so einem Vietnamesen noch nie sowas gegessen. War das eigentlich noch sein Berlin? Wo ist seine alte Allianz am Kudamm (Adlershof), wo ist der Gloria-Palast (Sony-Center), wo sind Hühner Hugo und Wienerwald (McDonalds)? Alles weg. Doch einer ist noch da: der „Zwiebelfisch“ am Savignyplatz. Unkaputtbar. Seit über 50 Jahren beste Zwiebelsuppe in town.

Vor genau 100 Jahren wäre das für Bartleby noch viel dramatischer gewesen. Da haben tolldreiste Politiker (gibt’s heute leider nicht mehr) aus einem bunten Haufen Dörfer und Kleinstädten ein Groß-Berlin mit fast 4 Mill. Einwohnern geschaffen. Heute undenkbar. Schon allein die Umsiedlung von Lurchen, Zauneidechsen und Fledermäusen hätte das Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Berlin, das Ergebnis einer großen Umweltsauerei, was sonst. Übrigens: der Name Berlin kommt aus dem Slawischen und bedeutet soviel wie „Sumpfstadt“. Erstaunlich, wie weitsichtig die Slawen waren. 

Berliner Gerichte sind ja inzwischen berüchtigt. Beispiel gefällig? Einstellung eines Verfahrens wegen Körperverletzung mit Fahrerflucht: Ein Radler wurde angefahren, die Ermittler konnten kein „öffentliches Interesse“ feststellen – u. a. „weil die Verletzungen nicht schwerwiegend sind“. Aha. Wieviel Schürfwunde darfs denn sein, bitte? “Reicht auch eine Prellung, oder sollte doch schon was gebrochen sein?“ fragt der Betroffene in diesem Fall (lt. Tagesspiegel). Bartleby fährt mit seinem Rad deswegen nur noch im Tiergarten. Dort lauert die größte Gefahr in Form von roten amerikanischen Sumpfkrebsen auf ihren Wanderungen zum Kudamm. Die Yankees sind schnell eingesammelt, dann Fahrerflucht und ab in den Kochtopf. Lecker. 

So, dank Tagesspiegel hier noch eine Verkehrssache, zählen wir mal durch: Der Fahrer war 16, natürlich ohne Führerschein, den Smart von der Mutter geklaut, ohne Licht unterwegs, durch die Einbahnstraße, bei Rot über die Kreuzung, Vorfahrtsstraßen ignoriert, mit 120 Sachen durch die Tempo-30-Zone … da kommt einiges zusammen. Die Mutter kam übrigens mit dem Taxi dorthin, wo die Amokfahrt endete – und spuckte wütend nach ihrem Sohn. So, und jetzt Ihr: Wo fand das Ganze statt? Richtig, das war leicht: natürlich in Neukölln.

Die heimische Tierwelt hat sich ja mit dem Auto arrangiert. Bartleby wollte kurz vor seinem letzten TÜV-Termin den Motorraum seiner Luxuskarre reinigen. Aber was muss er da entdecken? Zwei Haufen von Erdnussschalen und Reste anderer Früchte. Marder können es nicht gewesen sein; die knabbern lieber an Kabeln. Sein Verdacht fällt auf Eichhörnchen, die ein erotisches Verhältnis zu Mercedes-Cabrios haben müssen. Das kommt davon, wenn ich mein Auto einige Wochen nicht bewege. Die sympathischen Gesellen denken sich dann vermutlich, dass ich das nur ihretwegen so lange vors Haus gestellt habe. Der Tierfreund Bartleby wird jetzt unter der Motorhaube ein kleines Erdnuss-Depot anlegen und vor jedem Start vorsichtshalber erst einmal  hupen. Keine Angst, natürlich nicht zu laut. 

Vor dem TÜV hatte Bartleby doch ziemlichen Bammel. Wird das das Ende sein für seine größte Liebesbeziehung? Sein Auto ist inzwischen 25 Jahre alt, eine alte Dame also, aber immer noch so elegant wie die späte Marlene Dietrich. Aber der junge Prüfer hat kein Auge für das verführerische Äußere (Platin-Wäsche 14,99 Euro), beschäftigt sich nur voller Eifer mit ihren Dessous. Bartleby, typisch mal wieder, hat sie lange nicht mehr gewechselt. Aus der Halle dröhnt, kracht und zischt es, dann ist es still. Das wars wohl. Dann Auftritt des jungen Prüfers. Mit ungläubigem Staunen reicht er den KfZ-Schein zurück. „Sie haben die Plakette.“ Ein Wunder. Was er nicht weiß, ist, dass die nur jemand kriegen kann, der sein Auto jahrelang so rücksichtsvoll und voller Gefühl behandelt hat wie eine Frau. Bartleby, der Autoflüsterer.

Bartleby ist ja berüchtigt für sein ständiges „Ich möchte lieber nicht“. Dabei berief er sich immer auf Herman Melvilles „Bartleby der Schreiber“. Jetzt muss er umdenken. Über die Feiertage hat er mal wieder im Buch von Josef Müller („Von der lieben Schulmeisterei“) geblättert. Den kennen nur wenige, aber er war der beste Lehrer, den der junge Bartleby am Gymnasium hatte. Was für ein beeindruckender Mann. Eine Persönlichkeit, die die Kriegswirren aus dem großbürgerlichen Prag ausgerechnet in das nur wenig verblasste braune Eschwege verschlagen hatte. 1950 hätte er Direktor der Friedrich-Wilhelm-Schule werden können. Die städtischen Gremien sprachen sich dagegen aus. Ein Argument: „Dass der Dr. Müller katholisch ist, mag ja noch angehen. Aber dass er nicht in der Partei war, das geht nicht.“ Stattdessen wurde es ein bigotter Prediger, den der junge Bartleby in seiner Schülerzeitung als pathologisch angeprangert hat. Dafür musste er ein Jahr vor dem Abi die Schule verlassen. So waren sie, die 50er Jahre.

Aber was ich sagen wollte: Müller-Mutz, wie wir ihn nannten wegen seiner Pfeife, war nicht nur der Mentor unseres Mitschülers Rolf Hochhuth („Der Stellvertreter“), sondern vor allem ein großer Goethe-Verehrer. Mit Schiller hatte er nicht so viel am Hut. In „Wallensteins Tod“ gibt es einen großen Monolog, in dem Wallenstein darüber spricht, dass schon das bloße Denken an eine Tat sie unvermeidlich machen könne. Sein Fazit vor einer Schlacht mit den Schweden „Ich will es lieber doch nicht tun“ fand Müller-Mutz zu banal. Goethe hätte das bestimmt faustischer formuliert, Egal, Bartlebys Wurzeln und sein berühmtes „Ich möchte lieber nicht“ gehen also nicht auf Melville, sondern auf keinen geringeren als Friedrich Schiller zurück. Auch nicht schlecht.

Bartleby hatte ja eine schlesisch-polnische Oma. Ihr Mantra nach seiner Entwöhnung von der Muttermilch lautete: „Iss Fleisch, mein Junge!“. Sehr zum Verdruss der veganen Feministinnen vom Prenzelberg hat der brave Junge so Krieg und Nachkriegszeit überlebt. Heute ist seine Küche ein wahres Bollwerk gegen Veganismus. Zuletzt gab es Russisch Raclette. Alle Reste, die sich nach den Feiertagen noch im Kühlschrank befanden, kamen in die Pfännchen: Raclettekäse, Speck, Birnen, Paprika, Oliven, Ziegenkäse, Rostbratwürstchen, Bündner Fleisch und mehr. Pfeffer, Honig und Ahornsirup drüber und einen kräftigen Schuss Rum. Dann wird flambiert. Die ersten Schweizer würden sich spätestens jetzt erschießen. Daher Russisch Raclette.

Noch ein Tipp für Berlin-Touris unter euch. Wenn ihr in der Stadt mit der S-Bahn unterwegs seid, hört ihr es oft aus den Lautsprechern bellen: „ZÜCKBLEIM!!!“ Nicht erschrecken, das ist nur  Höflichkeit nach Berliner Art und bedeutet soviel wie „Zurückbleiben, bitte“. Dabei erinnert Bartleby sich an eine S-Bahn-Fahrt kurz nach der Wende. Bahnhof Friedrichstraße, ein Kontroletti tobt durch den Gang und schreit „Die Fahrscheine!!“ Allein Bartleby zeigt den Fahrgästen, dass hier ein Wessi im Wagen sitzt. „Geht das Ganze nicht auch in einem anderen Ton?“ Der Mann baut sich vor ihm auf und antwortet „Ich war jahrelang bei der VA (Volksarmee), ich kann nicht anders.“ Bartleby: „Abtreten!“ Dann war Ruhe. (Das war die Zeit, in der Bartleby noch ein toller Kerl war.)

Alexa, darf Bartleby nicht doch mal was Politisches schreiben?
Vergiss es!
Auch nicht über eine Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt?
Auch nicht! Du willst dich doch bloß wieder über alte Frauen lustig machen.
Und wenn Opa mit einem SUV durch den Stall brettert? Ist der dann keine alte Umweltsau?
Kommt darauf an, woher der SUV kommt.
Ich glaube, aus Bayern.
Stop! Ich bin doch nicht bescheuert. Jetzt wird’s doch wieder politisch. 

Taxi am BER +++ Moabit +++ Militärseelsorge +++ Balkonien +++ Feuerwehr +++Toter Hund +++ Berliner Polizei +++ Alexa

Das solltet ihr wissen: wenn der BER in diesem Jahr wirklich fertig wird und ihr dann nach Berlin fliegen wollt, landet ihr aber nicht in Berlin. Ihr landet in Brandenburg. Das ist ein großer Unterschied. Fragt Rainald Grebe. Wieso? In Schönefeld dürft ihr nur in Taxis einsteigen mit dem Kennzeichen LDS (Landkreis Dahme Spree). Von diesen Ferkeltaxen steht allerdings nur eine Handvoll da und manche haben sogar einen Navi, der ihnen den Weg nach Berlin anzeigt. Die zahlreichen Taxen mit dem Kennzeichen B (Berlin) müssen leider alle wieder leer in die Stadt zurückfahren. Warum? Brandenburg eben. Da haben viele noch nicht mitgekriegt, dass es keine DDR mehr gibt. Auf der Rückfahrt von Berlin nach Schönefeld könnt ihr euch ja von einem Berliner Taxifahrer erzählen lassen, wie er diesen Irrsinn findet. Das wird ein Spaß! Vielleicht tröstet er euch mit einem Bonmot wie diesem: „Mit einem Taxi in Schönefeld ist es wie mit AIDS: Kriegen immer nur die Anderen.“ 

Bartleby lebt ja schon seit einer Ewigkeit in Moabit. Nicht die Prinzessin unter den Kiezen, eher das Aschenputtel. Aber schon der kleine Bartleby hatte sich in das arme Mädchen verliebt. Nur AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen findet Moabit eklig: „Wenn ich nur in Berlin von Tegel nach Mitte fahre durch Moabit und mir den Zustand dieses Viertels ansehe, das ist für mich eklig.“ Dann geh doch ins „Neumanns“ in Alt-Moabit. Unser Essen dort war sehr gut, aber die übrigen Gäste erinnerten uns dunkel an ein SA-Sturm-Lokal der Dreißiger. Wieder zuhause gegoogelt: Ja, es stimmt, „Neumanns“ ist ein AfD-Lokal. Das nächste Mal vielleicht lieber wieder ein Döner beim Türken, garantiert nicht eklig.

Bartleby ist ja bekanntlich ein militanter Atheist. Dafür braucht er natürlich keine Waffen und erst recht keinen Militärseelsorger. Anders bei der Bundeswehr: 300 jüdische Soldaten bekommen jetzt dort 10 (in Worten: zehn) jüdische Militärseelsorger. Das ist aber auch im wahrsten Sinne des Wortes ein Knochenjob. Erst müssen die frommen Männer den Soldaten seelisch auf seine Aufgabe vorbereiten. In jedem Krieg der Welt hieß das immer: den Feind töten. Nach dem Einsatz muss der fromme Mann sich dann um die seelischen Wunden des armen Schützen kümmern. Denn nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz. Da muss der Soldat wieder fit sein. Wer kümmert sich eigentlich um den getöteten „Feind“? Leute, nicht böse sein, aber Bartleby hält Militärseelsorger für eine perverse Obszönität. Hatte Hitlers Wehrmacht nicht auch welche? 

Was Kurt Tucholsky über Soldaten sagte, muss ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Aber auch das war ein Grund, weshalb der junge Bartleby sich der Wehrpflicht entzog und nach West-Berlin flüchtete. Eine seiner besten Entscheidungen. Er mochte lieber nicht. Der Verleger Klaus Wagenbach kommentierte die 60er-Jahre so: „In Berlin war die Elite der Nation versammelt: die Wehrdienstverweigerer. Die alten Nazis gegen die Wehrdienstverweigerer, das war West-Berlin. Die Zwischengeneration fehlte, die war im Westen und machte Karriere.“ (Nicht nur nebenbei: Bartlebys Sohn verweigerte nach der „Wende“ auch den Wehrdienst und machte trotzdem oder gerade deswegenKarriere)

Bartleby ist süchtig nach Umfragen. Solche wie diese: Frauen, die viel putzen, sind sexuell nicht ausgelastet. Seine Nachbarin gegenüber, auch nicht mehr die Jüngste, wienert ihre Fenster alle paar Wochen. Die Ärmste. Aber gilt das auch für Männer, die viel putzen? Bartleby hat seine Fenster seit 20 Jahren nicht mehr geputzt. Er wollte lieber nicht. Regen muss reichen dafür. Er kann zwar noch erkennen, welche Jahreszeit gerade da draußen ist, aber sein Sex ist dadurch nicht besser geworden.   

Um die Jahreswende schlägt wieder die Stunde von Bartleby, dem großen Plänemacher. Bei einer Flasche Rotwein entstehen phantastische To-do-Listen. Ob es endlich um etwas Ungewöhnliches in seinem Alltag geht oder um total verrückte Menues am eigenen Herd. Ob er endlich bei einem kulturellen Highlight dabei sein möchte oder Reisen in Traumstädte und verlockende Länder machen möchte. Aber gerade das Letztere wird durch die politischen Verhältnisse dort immer schwieriger. Bleibt bald nur noch das piefige Balkonien. 

Das muss nicht sein. Trendsetter haben herausgefunden, dass immer mehr Leute inzwischen sowieso lieber hierbleiben und haben einen neuen Begriff für den zu Unrecht geschmähten Balkon erfunden: „Staycation“, ein Kunstwort aus stay für bleiben und vacation für Ferien. Jetzt müssen die To-do-Listen nur noch bei einem Gin Tonic zusammengestrichen werden und der Urlaub auf dem Balkon ist perfekt. 

Blackout in Köpenick. Aufgrund fehlerhafter Bohrungen an einer Brücke sind 31 000 Haushalte mehr als 30 Stunden stromlos. Was empfiehlt die Berliner Feuerwehr?

A) „Günstige Kerzen gibt es diese Woche bei Rewe im Angebot.“

B) „Zur Information schalten Sie Rundfunk und Fernsehen an.“

C) „Lesen Sie doch mal wieder ein Buch.“

Lösung am Ende des Letters. (Danke Tagesspiegel)

Hier noch eine Geschichte, die zu schön ist, um nur Tagesspiegel-Lesern erzählt zu werden. Also: Eine Studentin verdient sich ein paar Euro, indem sie den altersschwachen Hund eines alten Ehepaares ausführt. Im Grunewald passiert es: der Hund fällt um und stirbt. Sie weiß, dass die alten Leute ihn gerne in ihrem Garten begraben würden. Was nun? Sie versteckt den Hund unter einem Haufen Laub und eilt nach Hause, um mit einer großen Reisetasche wiederzukommen. Mit dem toten Hund in der Tasche läuft sie zur nächsten S-Bahn-Station. Dort spricht sie ein junger Mann an und hilft ihr, die schwere Tasche zu tragen. Seine Frage, was denn da Schweres drin sei, macht sie nur kurz verlegen. Soll sie wirklich sagen, ein toter Hund? Nein, das klänge unhöflich. Sie antwortet „Mein Equipment als DJ.“ Der junge Mann greift sich die Tasche und rennt mit ihr davon. Das ist Berlin, wie es leibt und lebt und stirbt.

Das Social-Media-Team der Berliner Polizei hat über Silvester 435 Tweets verschickt. Darunter diese vier
„Verzweifelter Mann in Wedding ruft schon zum 2. Mal den Notruf. Seine Schwiegermutter soll bitte gehen.“
„Silvester zu Zeiten des Klimawandels. Man wirft sich in Lichterfelde unangezündete (!) Böller zu. Wir prüfen, ob wenigstens „Peng“ gerufen wurde.“
„In Neukölln wird im Treppenhaus gegrillt.“
„In Neukölln legt sich eine Frau auf die Fahrbahn.“
Bartleby grüßt Elkes Neukölln.


Alexa, darf ich nicht doch mal über was Politisches schreiben?
Vergiss es!
Auch nicht über Sahra Wagenknecht?
Auch nicht! Du willst doch nur wissen, warum sie ihre Haare nie offen trägt.
Ja und?
Weil Oskar dann immer sagt, jetzt siehst du wieder aus wie Linda Zervakis. 
Aber die sieht doch toll aus!
Na klar, aber stell dir vor, das Fernsehen überträgt eine Bundestagsdebatte und Sahra steht mit offenem Haar am Rednerpult. Die BILD-Leser denken doch, jetzt moderiert Linda gerade die Tagesschau.
Nur weil die BILD-Leser zu blöd sind, darf die arme Sahra …
Halt! Stop! Jetzt wird’s doch wieder politisch. 


Lösung der Empfehlung der Berliner Feuerwehr: B (doch, doch, stimmt wirklich)