Das Bild von Trump habt ihr doch sicher alle gesehen, wo er vor einer Kirche steht und die Bibel wie eine Trophäe in die Kameras hält. Da gingen bei Bartleby sofort alle Lichter an. Es war beim Konfirmandenunterricht 1953 in Berchtesgaden. Der junge Bartleby machte, wie es so seine Art ist, einige kritische Anmerkungen zum Alten Testament. Ich glaube, es ging um Abraham und den knapp verhinderten Mord an seinem Sohn. Und was machte der Pastor? Hob die Bibel hoch wie Trump, holte aus und warf sie mit christlichem Schwung in meine Richtung. Was er aber nicht wusste: Der junge Bartleby war damals Torwart in der Fußballmannschaft seines Stadtteils. Der Vorgänger von Manuel Neuer hatte kein Problem mit dem Wurf.
Zur Konfirmation bekam jeder eine Bibel mit einem Spruch, der zu ihm passen sollte. Meinen hat der Heide in mir bis heute nicht vergessen. Also: 1. Korinther 16, Vers 13: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark.“ Immerhin nicht mehr „flink wie die Windhunde und hart wie Krupp-Stahl.“ Wer auch immer sich diesen Spruch für mich ausgedacht hatte, hatte keine Ahnung, wie Bartleby wirklich tickt. Und Trump, hör zu: wenn du mit der Bibel auf mich werfen solltest, ich werfe sie zurück!
Kein Fake: Bartleby ist ja mal einem Staatsoberhaupt sehr nahe gekommen. Das war 1960 in Eschwege. Anlass war der Besuch des damaligen Bundespräsidenten Lübke auf dem Hohen Meißner als Gründungsort der deutschen Jugendbewegung. Bartlebys Vater als Gastgeber und allseits bekannte Rampensau war in seinem Element, seine Mutter als Tochter eines einfachen Potsdamer Arbeiters wäre lieber gestorben als allein mit der Frau des Präsidenten im offenen Wagen durch die Gegend kutschiert zu werden. Frau Lübke muss das gespürt haben. Mutter schwärmte noch lange nach dem Staatsbesuch von dieser klugen und sympathischen Frau.
Schluss jetzt mit Heimatkunde. Wem von euch sagt der Begriff „Permafrost“ etwas? Immerhin so zwei oder drei heben den Finger. Es wären deutlich mehr, wenn sie damals in den frühen 50ern auf dem Gymnasium in Berchtesgaden gewesen wären. Da hat nämlich ein blonder Junge mit preußischem Migrationshintergrund vor seiner Klasse ein aufsehenerregendes Referat über Sibirien und den Permafrost gehalten. Fazit: Wenn der mal auftaut, müsst ihr euch zu Resi und ihren Kühen auf die Alm retten. Die einheimischen Seppls in ihren Lederhosen hörten gelangweilt zu und überlegten, wann sie diesen Berliner Klugscheißer mal wieder verprügeln könnten. Bartleby als früher Harald Lesch, der Perlen vor die Säue wirft. Vor etwa 20 Jahren fuhr Bartleby mit der Transsibirischen Eisenbahn an den Baikalsee und wunderte sich über die sommerlich hohen Temperaturen dort. Aber dann fiel ihm wieder sein Referat von damals ein. Alles klar!
In seinem nächsten Referat ging es um die Familie Porsche, ihre Autos und Rennen auf dem Nürburgring. Diesmal waren die Jungs voll dabei, gespannt bis in die Arschbacken und den Fuß unter der Schulbank voll auf dem Gas. Kein Gedanke mehr an den Permafrost. Den Traum vom eigenen Porsche hatte Bartleby seitdem nie aufgegeben. In den 90ern hat er ihn endlich wahr gemacht, aber schon nach etwas mehr als einem Jahr machte der 928er die Grätsche. Da hätte er sich auch gleich in eine Traumfrau verknallen können. Hätte auch nicht länger gedauert. Heute fährt Bartleby mit seinem SUV-Hackenporsche zu EDEKA und dreht dort immer ein paar Extra-Runden zwischen den Regalen, bevor es zum Pitstop an die Kasse geht. Die Gesichter der Damen aus den Altersheimen sprechen Bände: „Elfriede, was für ein toller Mann, wie konnten wir ihn nur Jahrzehnte übersehen?!“
Bartleby hatte ja schon immer eine Vorliebe für alles Morbide. Seine Lieblingsstadt ist natürlich Venedig. Schöne Bauten, an denen der Putz abbröckelt und die langsam im Meer versinken. Bartlebys Wohnung gleicht inzwischen mehr und mehr einem Palazzo in Venedig. In diesem wohnt er jetzt seit 55 Jahren. Natürlich könnte er all die Schäden an Fassade, Stuck und Parkett reparieren lassen, aber ihr kennt ja Bartleby: er möchte lieber nicht. Vorteil: er kann sich die Reise nach Venedig sparen.
Alle, die schon einmal die meterhohen Zeitungsstapel in Bartlebys Wohnung bewundern konnten, wissen, dass Bartleby ein begeisterter Zeitungsleser ist. Das ist nur möglich, weil ihm jeden Morgen ein zuverlässiger Zeitungsbote seinen Tagesspiegel in den Briefkasten wirft. Und das seit Jahren, Tag für Tag. Bartleby entlohnt diese Systemrelevanz immer wieder mit einem Extra-Bonus. Er kann sich gut daran erinnern, dass in seiner Jugend auch noch Milch und Brötchen an die Tür geliefert wurden. Tempi passati!
Höhepunkt der Zeitungswoche ist natürlich der Sonntag. Nein, nicht wegen Sport, sondern wegen der Todesanzeigen. Bartleby hat festgestellt, dass es in letzter Zeit immer mehr werden. Corona? Keine Ahnung. Füllten die Anzeigen früher eine Seite, sind es jetzt bis zu zweieinhalb. Dann schlägt die Stunde von Bartleby als unerbittlichem Kulturkritiker. Zwischen pechschwarzem Kaffee, Toast und Frühstücksei stürzt er sich auf all die Sprüche, mit denen die Anzeigen garniert worden sind. Ihr ahnt es, es ist ein kulturelles Desaster. Fast immer die gleichen frommen Psalmen, immer wieder Bonhoeffer und immer wieder Hermann Hesse, der Ärmste. Originalität in den Anzeigen Pustekuchen, dabei war der teure Tote zu seinen Lebzeiten doch bestimmt auch so etwas wie ein Original. Muss ja nicht gleich Woody Allen sein: „Für mich war stets der Sarg halb voll“.
Bartleby will nach seinem Ende auf keinen Fall in die Zeitung. Den Spruch, den er für seine Anzeige ausgesucht hat und der zu ihm passt wie kein zweiter, würde der Tagesspiegel aus Rücksicht auf seine fromme Westberliner Gemeinde ohnehin nicht abdrucken. Jetzt wollt ihr natürlich wissen, wie der lautet. Da müsst ihr leider noch warten, bis die Anzeige in eurem Briefkasten landet. Heute nur so viel: der Spruch ist nicht aus der Bibel, natürlich nicht, sondern von Arno Schmidt. Wer Bartleby und den großen Spötter aus der Lüneburger Heide kennt, hätte sich das auch denken können.
Alexa, darf ich heute endlich mal was Politisches schreiben?
Vergiss es!
Trabbi oder Lambo?
Was soll das denn?!
Nehmen wir einmal an, du würdest von einem Auto überfahren. Mausetot. Lieber von einem alten Trabant oder einem neuen Lamborghini?
Wenn schon, dann natürlich Lambo.
Gut. Wenn es aber Atomwaffen wären, die dich umbringen. Lieber die alten Dinger, die seit Hiroshima in Rheinland-Pfalz vergammeln oder moderne Waffen aus der aktuellen Donald-Trump-Selection?
Als künstliche Intelligenz kann ich Leute ohne jede Intelligenz zwar nicht leiden, aber was Modernes sollte es schon sein.
Also wieder Lambo statt Trabbi. Aber das gefährliche alte Zeug einfach verschrotten und dafür nichts Neues – wäre das keine Alternative?
Das kann auch nur einer mit natürlicher Intelligenz fragen. So wird das nie was mit euch.
Siehst du, Alexa, jetzt ist es doch noch politisch geworden. Geht doch.
Kurzer Nachtrag zu Alexa: Es gibt eine dunkle Seite bei Bartleby. Er war diesen Atomwaffen schon einmal sehr nahe. 1960 verbrachte er ein paar Tage auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel, wo diese Dinger lagerten und heute noch lagern. Er interessierte sich damals tatsächlich für einen Job als Pilot bei der Luftwaffe. Seine Tauglichkeitsstufe I aus der Musterung prädestinierte ihn dafür. Ein Freund, selbst Pilot in Büchel, ermöglichte ihm den Besuch. Er durfte sogar in einem Starfighter Platz nehmen, leider nur am Boden. Mutter sprach sich allerdings energisch gegen diesen Job aus. Die stürzen doch alle ab, warnte sie und hatte fast Recht damit. Nix wars also mit rasanten Tiefflügen über Eschwege und der schicken Uniform für die Mädels von der Leuchtbergschule. Roy Black musste ihn trösten: „Du kannst nicht alles haben.“ So ist es bis heute geblieben.