Lieber Fritz, lieber Reinhold, hallo Followers,

tut mir leid, Leute, aber heute beginnt es mit starkem Tobak. Bartleby hat ja mal Jura studiert, aber das Studium nach ein paar Semestern abgebrochen. „Ich möchte lieber nicht.“ Typisch Bartleby, aber die Juristerei war nicht so sein Ding. Es gab Momente, wo er das bereute und Momente, in denen er das nicht tat. So einen wie in diesem Fall:

Was kostet es, mit Tempo 70 auf der Busspur am Stau vorbeizurasen und dabei ein Kind totzufahren? Ihr kommt nie drauf: 200 Euro Geldstrafe und einen Monat Fahrverbot. So verkündet vom Amtsgericht Tiergarten. Ein 23-jähriger hatte mit Vaters BMW den Vierjährigen umgebracht, der neben seiner mit Einkäufen bepackten Mutter plötzlich bei Rot losgerannt war. Bei Tempo 30 wäre der Unfall vermeidbar gewesen, befand das Gericht, das der Mutter eine Mitschuld gab. Was lehrt dieses Urteil die Allgemeinheit? 1.) Wer durch massive Verkehrsverstöße ein Kind tötet, zahlt dafür so viel Strafe, wie ein neuer Außenspiegel (der alte traf den Jungen am Kopf) kostet, und muss vier Wochen BVG fahren. Und 2.) sollen Mütter gefälligst zu Hause bleiben, wenn sie keine Hand frei haben, um ihr Kind von asozialen Rasern fernzuhalten. (Q. Tagesspiegel)

Vor einigen Jahren wollte ich Milan von der Schule abholen. In der Nähe der Siegessäule machte plötzlich eine Polizei-Wanne (nicht im Einsatz) vor mir einen gefährlichen Spurwechsel. Nur durch die Reaktion der neben mir Fahrenden kam es zu keinem Crash. Beim Überholen der Wanne zeigte ich dem Fahrer den Mittelfinger. Im Cabrio macht sich das besonders gut. An der nächsten Ampel hielten die Bullen mich an und ich bekam eine Anzeige. Nicht die Bullen wegen ihrer Fahrweise, sondern ich wegen meinem Effenberg. Ergebnis: Bußgeldbescheid über 800 Euro. Für dieses Geld hätte ich auch vier Kinder totfahren können. Natürlich nicht alle gleichzeitig, aber schön nacheinander. Was wiegt vor Gericht schwerer? Der spontane Ärger über einen Polizisten oder der Tod eines kleinen Jungen? Bartleby hat darauf eine Antwort, aber er ist ja kein Jurist.

Bartleby gehört ja zu den wenigen Männern, die immer Glück mit Frauen hatten. Gut, in den letzten Jahren hat das etwas nachgelassen. Etwas. Aber es gibt manchmal doch noch eine Sternstunde. Neulich ist Bartleby auf dem Weg zu seinem Öko-Wochenmarkt. An der Gedächtniskirche überholt ihn eine hübsche junge Frau und lacht ihn freundlich an: „Hallo!“. Bartleby weiß noch von früher, dass sich aus sowas noch mehr machen lässt. Mindestens ein blind date im Café Einstein oder Café am Neuen See. Er zieht routiniert den Bauch ein und lächelt verführerisch wie Robert Redford: „Hey!“. Darauf die schöne Fremde: „Sie haben da Papier am Schuh.“ Bartleby schaut an sich herunter und richtig, an seinem Schuh klebt ein DIN A4 Blatt. Er muss irgendwo auf einen Scheißhaufen getreten sein, den der raffinierte Köter anschließend noch unter Papier versteckt hat. Donald Trump ist das Gleiche passiert und die Bilder davon gingen um die Welt. Immerhin, vor diesem Schicksal hat die nette junge Frau Bartleby wenigstens bewahrt. Bartleby 1, Trump 0.

Dass Bartleby kein großer Freund von Donald Trump ist, werdet ihr wohl schon geahnt haben. Aber noch mehr als diesen gefährlichen Polit-Clown verachtet er seine Anhänger, die ihm hysterisch zujubeln. Hatten wir sowas nicht schon einmal in unserem Land? Jetzt droht ein Krieg mit dem Iran. Ihr glaubt doch nicht, dass ihr dann noch ruhig vor dem Fernseher sitzen und Fußball schauen könnt. Wenn schon Glotze, dann ladet euch einen Film von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1964 runter: „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben.“ Das Personal von damals treibt sein Unwesen auch heute wieder im Weißen Haus.

Berlin hat zwar immer noch keinen Flughafen, aber dafür jetzt einen Mietendeckel. Was meinen Vermieter natürlich nicht gehindert hat, mir noch schnell eine saftige Mieterhöhung zu verpassen. Ich habe mal nachgerechnet. Seit ich hier Ende der 60er eingezogen bin, wurde meine Miete um knapp 1.000 % (eintausend!) kalt erhöht. Aber das Geschrei bei den Aktionären der Immobilienfirmen und den Vermietern ist riesengroß. Aus Luxemburg, Russland, Saudiarabien, Panama und den Cayman Inseln verzweifelte Hilferufe: „Wie sollen wir denn jetzt den Handwerker bezahlen, wenn der Wasserhahn tropft?“ Liebe Leute, nehmt es einfach von den Steuergeldern, die ihr hinterzogen habt. Und wenn die alle sind, steigt in die S-Bahn ein und verkauft den „Straßenfeger“. Ich kaufe euch auch einen ab. Versprochen.

Neulich in der U-Bahn. Ein heißer Tag. Bartleby ist ziemlich geschafft und steigt mit zwei vollen Einkaufstaschen ein. Die Bahn ist voll, aber da ist doch noch ein Plätzchen frei. Doch kurz bevor er sich setzen kann, hechtet ein kleines blondes Mädchen mit Roller an ihm vorbei und pflanzt sich triumphierend auf den Sitz. Die Fahrgäste rechts und links starren auf ihre Smartphones. Was jetzt? Soll er der Prinzessin seinen Schwerbeschädigtenausweis zeigen? Oder bitte-bitte machen? Tarzans Opa doch nicht! Die Bahn fährt an.Wo ist die nächste Liane zum festhalten? Da winkt weiter hinten am Ende des Waggons ein Junge, etwa so alt wie das Mädchen.

Bartleby ist baff. Der Junge mit sichtbarem Migrationshintergrund bietet dem alten weißen Mann seinen Platz an. Ich bedanke mich besonders freundlich bei dem netten Wuschelkopf. Manchmal sind eben doch die Jungs die besseren Mädchen. In Berlin haben jetzt die Schulferien begonnen. Wie jedes Jahr werden die türkischen Mädchen davor gewarnt, beim Urlaub in der Türkei zwangsverheiratet zu werden. Ich kenne das. Auch in der patriarchalischen Gesellschaft der Nachkriegs-BRD galt der Grundsatz: Geld muss zu Geld kommen. Das bedeutete für den jungen Bartleby: Er darf nicht mit seiner glutäugigen Werra- Schönheit zum Tanzstundenball. Seine Eltern hatten stattdessen arrangiert, dass der Junge die reiche Apothekerstochter beim Wiener Walzer herumschwenken sollte. Statt seiner üppigen Blondine hatte er an dem Abend ein verschüchtertes Dickerchen im Arm, sorgfältig eingewickelt in rosa Bonbon- Tüll. Aber ihr kennt ja Bartleby. Das war der Moment, in dem er zum ersten Mal „Ich möchte lieber nicht“ gedacht hat. Was wäre die Alternative gewesen? Bartleby stünde heute in Eschwege in der Apotheke des Bonbon-Püppchens und würde euch Aspirin verkaufen. Statt im Newsletter müsstet ihr in Zukunft seine Artikel in der Apotheken-Rundschau lesen. Liebe türkische Mädchen, mit oder ohne Kopftuch, passt gut auf euch auf und wehrt euch!

Zum Schluss noch was aus der Rubrik Lokales. Kurt Krömer, Berlins Antwort auf Jan Böhmermann: „Wussten Sie, dass in Spandau alle drei Teile von „Herr der Ringe“ gedreht worden sind? Die Produktionsfirma hat ein Heidengeld gespart, weil man die Leute nicht mal schminken lassen musste.“ Für Wessis: Berlin und Spandau war noch nie die große Liebe. Ist in etwa so wie die zwischen Köln und Düsseldorf. Bloß dass da keine S-Bahn fährt.

Und das noch: Ganz normaler Nachmittag im Bergmann-Kiez. Eine Anwohnerin isst mit Freunden Eis, als eine vielleicht Vierjährige mit ihrem Tretroller vorbeifährt und brüllt: „Scheiß Touristen!“ Es scheint doch noch ein paar antiautoritäre Kinderläden zu geben.

Some like it hot. Mir reichen 28 Gad, Gin Tonic und ein Poster von Marilyn Monroe.
Ulrich alias Bartleby

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